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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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zurückerinnerte.
    » Ich wurde mit einer kleinen Armee in das Tal geschickt, um diese Garianer aufzuspüren. Du musst wissen, Arish, dass ich seit mehr als dreißig Jahren Soldat bin und viele schreckliche Todesarten gesehen habe. Ich habe selbst etliche Menschen dem Tode überantwortet. Aber damals war ich kaum älter als ein Jüngling, und der Anblick, der sich mir dort bot, hat meine Seele für immer verunstaltet.«
    Er stand auf und ging durch das weiß gekalkte Zimmer. Arish sah, dass er sein rechtes Knie schonte. Der ältere, in vielen Schlachten erprobte Fell hätte noch andere Verletzungen bemerkt, unter denen der General litt und mit denen er sich im Laufe der Jahre arrangiert hatte.
    » Es ist uns nicht gelungen, alle garianischen Banditen zur Strecke zu bringen«, fuhr er fort, » aber die Anwesenheit unserer Armee machte dem Morden ein Ende. Ich kehrte in den Palast des Löwen zurück, älter und weiser, gewiss, aber mit einem dunklen Fleck auf meiner Seele. Am Ende des Sommers waren die Garianer ausgelöscht oder geflüchtet. Und etwa um den Jahreswechsel herum hörten wir, dass ihr Anführer gefangen genommen war. Sein Name war Malkus Tesserian. Und ebendieser Malkus Tesserian war mein Schwertmeister gewesen, als ich als Kind in Odrysia gelebt hatte. Er war ein bärtiger Hüne und ein überzeugter Garianer. Als Kind hatte es mich amüsiert mit anzusehen, wie er etwas anbetete, was auf mich wie Kinderpuppen gewirkt hatte. Er war ein strenger und humorloser Mann, aber ein guter Lehrer. Er behandelte mich und die anderen Kinder gerecht. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass dieser Schwertmeister, den ich gekannt hatte, für die Schrecken verantwortlich sein sollte, deren Zeuge ich geworden war. Aber ich wusste damals schon, dass im Namen der Religion fürchterliche Dinge vollbracht werden.
    Ich dachte etliche Tage darüber nach – die Zeit, die es dauerte, bis unsere Soldaten Tesserian zum Palast brachten. Als unsere siegreiche Armee schließlich auftauchte, ging ich zu deinem Vater und bat ihn, das Leben des gefangenen Anführers zu verschonen. In der Rückschau kann ich nur noch vermuten, was ich mir damals gedacht habe. Dein Vater war von seinen Ratgebern umgeben, den alten weisen Männern, auf die schon sein Vater sich verlassen hatte. Sowie von jungen Männern, die ihm schmeichelten und auf einen Platz in seinem inneren Zirkel hofften. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube, ich hoffte, ihnen zu demonstrieren, welche Macht ich über den neuen König hatte, ihnen meinen Einfluss als sein guter Freund zu zeigen. Ich weiß es nicht.
    Seine Ratgeber hatten ihm bereits empfohlen, Tesserian zu töten, verdientermaßen, so wie er auch andere hatte töten lassen. Aber dein Vater hörte auf mich. Ich sagte ihm, dass dieser Mann ein guter Lehrer für mich gewesen wäre, dass ich all meine Fähigkeiten mit dem Schwert seiner frühen Ausbildung zu verdanken hätte. Das war falsche Bescheidenheit. Ich wusste damals bereits, dass sich mit der Klinge besser umgehen konnte als jeder andere dort, deinen Vater eingeschlossen.
    Die Ratgeber waren über meine Forderung empört und widersprachen. Sie meinten, der Mann solle sterben, aber dein Vater sagte nichts, obwohl seine Augen kalt wurden. Schließlich nickte er. ›Einverstanden, Shuskara. Und was sollen wir mit ihm tun? Sollen wir ihn gehen lassen?‹
    So weit hatte ich nicht gedacht. ›Man soll ihn in seine Festung zurückbringen und ihm sagen, dass er sofort hingerichtet wird, falls er je wieder den Schimmernden Strom überquert.‹
    Dein Vater sah mich scharf an. ›Wir machen es, wie du es sagst, mein Freund.‹ Es sollte das letzte Mal sein, dass er mich seinen Freund nannte. ›Aber jetzt schuldest du mir ein Leben.‹
    Du hast wahrscheinlich schon erraten, dass der Mann, der schließlich vor uns stand, keineswegs mein alter Lehrer war. Es war sein Sohn, der nur denselben Namen trug. Und dazu ein Mann, der von den Göttern des Chaos berührt worden war, ein gewissenloser Mörder, der es genoss, andere zu foltern, und der weder Reue noch Mitleid, noch Gnade kannte. Er wurde freigelassen und in seine Heimat zurückgeschickt, wo er weiter mordete und folterte, bis er ein Jahr später von Randell Kerrs Soldaten getötet wurde.
    Ich habe den Palast des Löwen am nächsten Tag verlassen und bin niemals zurückgekehrt. Ich glaube, er steht jetzt leer.«
    Der Prozess gegen die sechs Jungen wurde nicht in der Großen Halle des Kaisers

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