Der Moloch: Roman (German Edition)
Ausbildungsübung.
Sie wurden von einem Dutzend oder mehr hungriger, wilder Hunde angegriffen. Sie haben sich nicht entschieden, sie zu töten, um ihr Fleisch zu essen. Wie der General selbst sagte, hatten die Jungen erst kürzlich etwas zu essen bekommen. Und selbst in dieser Cité, in der schrecklichen Notlage, unter der wir jetzt leiden, sind wir noch nicht so weit gesunken, dass wir unseren Soldaten Hundefleisch servieren.« Eine Welle der Belustigung lief durch die Zuschauer in der Arena, und Arish spürte, wie seine Hoffnung wieder stieg. Was die Frau sagte, war unbestreitbar.
» Sie haben sich selbst verteidigt«, fuhr sie fort. » Sie haben sich gegen einen Angriff verteidigt, genau so, wie sie ausgebildet wurden. Wie jeder Krieger es tun würde.« Sie fuhr herum. » Was hättest du getan, General?«
Der General schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. Dann hob er die Stimme und wandte sich an die Zuschauer. » Die Hunde gehören dem Kaiser!«, schrie er. » Sie zu töten verstößt gegen die Gesetze der Cité! Nicht einmal der Kaiser selbst kann die Gesetze der Cité brechen!«
Archange wandte sich an den kaiserlichen Balkon. » Wir reden hier nicht über Welpen, General. Oder über die treuen Hunde, die den Unsterblichen auf seinen Jagden begleiten. Dies hier waren verwilderte Hunde, die in das kaiserliche Reich eingedrungen sind. Kaninchen, die auf den Wiesen und Feldern der Cité leben, werden gefangen und von den Bürgern getötet und gegessen. In den Strömen und Flüssen fischen sie nach Nahrung. Wir stellen weder Kaninchenjäger noch Fischer vor Gericht.«
Etliche Leute unter den Zuschauern bekundeten laut schreiend ihre Zustimmung.
» Ich möchte daran erinnern, dass diese Hunde für jeden gefährlich geworden wären, der ihnen begegnet wäre, seien es unschuldige Arbeiter, Reisende oder Kinder. In den letzten Jahren hat der Kaiser selbst Jagdtrupps ausgesandt, um wilde Hunde in seinem Reich zu jagen und zu töten. Wir von der Cité sollten diesen jungen Soldaten dankbar sein, dass sie uns von ihnen befreit haben.«
Sie machte eine kleine Pause und wiederholte dann, was die Zuschauer und die Richter ihrer Meinung nach verstehen und im Gedächtnis behalten sollten.
» Wir sollten diesen jungen Soldaten ebenso dankbar sein, wie wir all unseren tapferen Soldaten dankbar sein sollten. Wir sollten ihnen Beifall spenden, statt sie vor Gericht zu stellen!«
Archange verbeugte sich vor dem Balkon und verließ die Arena unter vereinzeltem Applaus.
Die sechs Jungen warteten im Sand, während der Kaiser und seine beiden Richter miteinander sprachen. Arish versuchte, sie in dem gleißenden Sonnenlicht zu erkennen. Der Kaiser selbst schien nur wenig zu sagen. Es war der Kaufmann, Goldinus Vara, der das Reden übernahm, und aus seinen Gesten schloss Arish, dass er mit dem Kaiser debattierte. Der alte Gelehrte schien zu schlafen.
Arishs Magen fühlte sich plötzlich leer an, als ihn die Furcht packte. Debatte hin oder her, er zweifelte nicht daran, wie das Urteil aussehen würde. Sie würden alle hier auf dem Sand sterben, vor einer glücklichen, jubelnden Menge, die dann nach Hause gehen und ihren Frauen und Kindern erzählen würden, sie hätten an diesem Tag gesehen, wie Feinde der Cité exekutiert worden waren. Sein Leben würde hier enden. So schlimm fand er die Vorstellung nicht. Was er bisher vom Leben gesehen hatte, hatte er nicht gerade genossen. Es war voller Brutalität, Terror, Elend und Einsamkeit gewesen. Die Furcht, die ihn gepackt hatte, löste sich ein wenig, und er fühlte sich etwas entspannter. Er hoffte nur, dass es eine schnelle Exekution sein würde. Auf der einen Seite des kaiserlichen Balkons sah er den Henker des Kaisers, Galliard. Der Mann hatte dem Unsterblichen schon so lange gedient, wie irgendjemand sich erinnern konnte. Er stand da und wartete auf das Urteil, die Hände auf dem Stiel einer riesigen Axt.
Arish sah die anderen Jungen an. Evan lehnte an Sami, der seinen Arm um die Schultern des Jungen gelegt hatte. In den letzten Tagen hatte Arish festgestellt, dass Sami eigentlich ein freundlicher Junge war, jetzt, da man ihnen ihre falsche Tollkühnheit genommen hatte. Sami hatte sich um Evan gekümmert, als die anderen den kleinen Jungen ignorierten. Und es war Sami gewesen, der immer dafür gesorgt hatte, dass die kleine Menge an Essen und Trinken, die sie bekamen, gerecht aufgeteilt wurde.
Sami bemerkte, dass Arish ihn beobachtete, und lächelte
Weitere Kostenlose Bücher