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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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hatte das Gefühl, als sähe er kleiner aus. Er runzelte die Stirn. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus.
    » Der Kaiser hat in seiner ungeheuren Weisheit beschlossen«, schrie Goldinus, » dass der Verbrecher so bestraft werden soll, wie die uralten Götter einst gestraft haben. Er wird zu Tode geröstet.«
    In dem verblüfften Schweigen der Zuschauer hörte Arish einen dünnen, unmenschlichen Schrei. Er sah, wie Sami sich gegen den Griff seiner Häscher wehrte, sah, wie der Junge sich umdrehte und seine Freunde anstarrte, mit weit geöffnetem Mund, das Gesicht vor Entsetzen verzerrt und die Augen panisch aufgerissen.
    Die Menge brach in frenetischen Jubel aus.

25
    Fell Aron Lee war ein sehr geduldiger Mann. Er hatte diese Geduld durch Notwendigkeit und Übung erreicht. Das Leben eines Soldaten besteht aus langen Tagen unendlicher Langeweile, die von Augenblicken entsetzlichen Terrors unterbrochen wird. Fell hatte gelernt, die langen Tage, Wochen und manchmal sogar Monate der Tatenlosigkeit zu ertragen. Als junger Mann hatte er festgestellt, dass er, wenn er die Augen schloss und seinen Verstand reinigte, einen Ort der Ruhe erreichen konnte, ein Refugium vor den Anblicken und den Geräuschen um sich herum. Es erforderte sehr viel Übung, denn es war leicht, sich von Gelächter oder einem lauten Gespräch ablenken zu lassen oder von dem Jucken in seiner Kleidung oder den angenehmen Fantasien der Intimität, die jeder junge Mann genießt. Andererseits hatte er viel Zeit zum Üben gehabt.
    Fell war seit mehr als dreißig Jahren Soldat. Diesen Zustand der Ruhe erreichte er nicht so leicht, vor allem nicht in einer kalten, engen Zelle, die er sich mit zwei weiteren Gefangenen teilte. Aber wenn es ihm gelang, belohnte ihn dieser Zustand gelegentlich mit Offenbarungen.
    Nach einigen Wochen der Gefangenschaft begriff er, dass er kein Soldat mehr sein wollte. Er hatte sein ganzes Leben damit zugebracht, andere Männer zu töten, etliche Frauen und manchmal sogar Kinder. Er traf so gut wie niemanden, der nicht entweder Soldat war oder Soldaten diente. Maron jedoch war kein Soldat, jedenfalls kein Soldat im aktiven Dienst. Fell genoss ihre Gespräche mehr, als er sagen konnte, denn sie streiften darin quasi durch die ganze Welt, schlossen Religion und Geschichte ein, Astronomie, Musik, Landwirtschaft und Viehzucht. Maron war sehr gebildet und belesen. Fell hatte in seinem ganzen Leben noch kein einziges Buch gelesen. Er hatte aber seine Dienstzeit damit verbracht, den Gesprächen anderer Männer zuzuhören, von denen etliche in ihrem früheren Leben Bauern oder Schmiede oder Gelehrte oder Priester gewesen waren, bevor der Krieg sie alle in seine Mühlen gezogen hatte. Es überraschte ihn, wie viele Informationen er in seinem Gedächtnis gespeichert hatte. Jeden Tag freute er sich darauf, Maron zu treffen, und anschließend dachte er in seiner Zelle über ihre Gespräche nach.
    Die Erkenntnis, dass er ein solches Leben der Rückkehr auf das Schlachtfeld vorzog, schockierte ihn, aber es war die Wahrheit. Und er fragte sich, wie erbärmlich sein früheres Leben gewesen sein musste, wenn dem wirklich so war. Er beschloss, diesen Krieg den anderen zu überlassen, falls er in die Cité zurückkehrte. Er hatte keine Ahnung, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte, aber er hoffte, dass Indaro darin eine Rolle spielen würde.
    Er hatte viele Frauen gehabt, angefangen von den schmutzigsten Hafenhuren bis hin zu vornehmen und wohlhabenden Damen. Und einmal sogar, ein köstliches Erlebnis, die Tochter eines Generals. Aber keine von ihnen hatte ihn an sich binden können. Sie waren nur Mittel zum Zweck für ihn. Er benutzte ihre Körper auf dieselbe Art und Weise, wie er die weiblichen Soldaten benutzte, die er täglich in den Tod schickte. Er verachtete sie nicht, wie es viele Männer taten. Einige von ihnen mochte er, erheblich mehr von ihnen verabscheute er jedoch. Er hatte nur eine Regel, eine Ethik, wie Maron es ausdrücken würde, obwohl es für Fell ebenso dem gesunden Menschenverstand entsprach, wie sein Schwert zu schärfen oder zu schlafen, wenn man die Chance dazu hatte. Seine Regel lautete, dass er niemals mit weiblichen Soldaten aus seiner Kompanie schlief. Deshalb hatte er Indaro zwar gierig beobachtet, aber heimlich. Seine Blicke waren über die eleganten Linien ihrer Schenkel geglitten, über ihre geschwungenen Hüften. Aus der Ferne brannte er für sie. Aber wenn sie miteinander sprachen,

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