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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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abgehalten und auch nicht im Hof des Gerichtes, wohin die meisten Verbrecher gebracht wurden, um ihnen einen Schauprozess zu machen. Am Tag nachdem Arish Shuskara getroffen hatte, wurden die Gefangenen aus ihrer schmutzigen Zelle geholt, mit eisigem Wasser gewaschen, um den Gestank abzuspülen, bekamen irgendeinen wässrigen Brei zu essen und wurden durch die Tunnel zurückgebracht. Als sie schließlich blinzelnd ins Sonnenlicht traten, standen sie im Kreis des Kampfes, einem uralten steinernen Amphitheater im Süden der Cité. Einst hatte man es für Gladiatorenkämpfe benutzt, jetzt jedoch war es den Ratten und roten Ameisen überlassen.
    Es war bereits früher Morgen, und die blasse Sonne stand kaum über den verfallenen Mauern der Arena. Die Jungen standen in der Mitte des Sandkreises, immer noch aneinandergekettet. Aber jetzt befanden sie sich in der Obhut von Soldaten, nicht von Gefängniswärtern. Arish bat um Wasser, und man brachte es ihnen. Dann bat er um Essen. Sie bekamen gutes, frisches Brot, ein bisschen Fleisch und Früchte. Als sich schließlich um die Mittagszeit die ersten Zuschauer versammelten, fühlten sich die Jungen so kräftig wie seit Tagen nicht mehr.
    Arish hatte ihnen nicht gesagt, dass eine Frau für sie sprechen würde, weil er keine Nachricht vom General erhalten hatte. Er wollte die anderen nicht mit Informationen entmutigen, die sich nachher als falsch herausstellten. Er sagte ihnen nur, dass der General einen Advokaten für sie suchte.
    Als schließlich eine Frau über den Sand zu ihnen kam, sahen sie sie nur an. Nicht einmal Arish konnte sie einschätzen, weil er nur wenig Erfahrung mit Frauen hatte, abgesehen von den alten Dienstmägden, die ihnen in der Kaserne die Mahlzeiten servierten oder den dürren Huren, die sie gierig an den Straßenecken ansahen. Diese Frau war groß, größer als die meisten Männer, und hielt sich stolz und aufrecht wie ein General. Sie trug lange Roben in Blautönen, und ihr schneeweißes Haar lag in einem dicken Zopf auf ihrer Schulter. Trotz des weißen Haares war ihr Gesicht faltenlos und ernst und dazu von einer Schönheit, bei der einem fast das Herz stehen blieb. Arish und die anderen schreckten ein wenig vor ihr zurück, als sie zu ihnen trat. Denn diese Kreatur war ihnen so fremd wie der weiße Panther der Mondberge oder der gefleckte Phoenix der westlichen Inseln.
    Sie schien es jedoch nicht zu bemerken und lächelte sie an. » Ich bin Archange Vincerus«, sagte sie. » Ich bin eure Advokatin. Ich werde heute für euch sprechen.« Sie sah die schweigenden Jungen scharf an. » Ihr müsst mir genau erzählen, was bei dieser ›Wildzeit‹ passiert ist.«
    Zuerst redeten sie alle durcheinander, schilderten die Geschichte, und sie hörte zu. Ihre schwarzen Augen zuckten von einem zum andern, bis sie schließlich eine Hand hob. Die Jungen verstummten. Sie deutete auf Sami.
    » Du erzählst«, befahl sie. Sami erzählte ihre Geschichte sehr sorgfältig, ohne etwas auszulassen. Sie hörte zu und stellte dem Jungen ein paar Fragen. » Man wird euch nicht erlauben«, sagte sie schließlich, » bei eurem Prozess zu reden. Gibt es da noch etwas, was ihr mir sagen oder mich fragen wollt, bevor er beginnt?«
    Der kleinste Junge, Evan, meldete sich. » Die Hunde haben meinen Bruder gefressen.«
    Archange sah ihn lange an. » Wie ist dein Name?«, fragte sie sanft.
    » Evan Quin«, sagte das Kind. Der Junge stolperte über den Nachnamen, als wäre er nicht gewohnt, das Wort auszusprechen. » Conor war mein großer Bruder. Die Hunde haben ihn getötet und ihn gefressen.« Tränen traten in seine hellen Augen. » Es waren böse Hunde.«
    Archange nickte, ließ sich von ihnen allen ihren Namen geben und die Namen ihrer Väter und sah dann jeden einzelnen von ihnen ernst und sehr konzentriert an. Dann drehte sie sich um und ging durch die Arena dorthin, wo die Adligen allmählich die kaiserliche Loge füllten. Arish sah, wie sie mit jemandem sprach und begriff, dass es Shuskara war. Er wollte winken, irgendwie die Aufmerksamkeit des Mannes erregen. Aber der General blickte nicht auf die Jungen im Sand. Er nickte, als Archange sprach. Sein Gesicht war sehr traurig. Arish spürte, wie seine Hoffnung erlosch.
    Dem Kaiser leisteten auf seinem goldenen Balkon zwei Männer Gesellschaft, die auserwählt waren, zusammen mit ihm über das Schicksal der Jungen zu entscheiden. Arish sollte später herausfinden, dass es sich bei dem einen um Goldinus Vara handelte, den

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