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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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Botschafter sah sich um, blickte in all die Schlangenaugen um ihn und setzte sich auf den Rand des Diwans.
    » Sie ist bemerkenswert«, erwiderte er aufrichtig. » Ich bin schon einmal hier gewesen, als Kind. Ich habe den Kaiser bei einer Parade gesehen. Das war der Höhepunkt meines jungen Lebens. Es tut mir sehr leid, dass der Kaiser an dem Festmahl heute Abend nicht teilnimmt.«
    » Der Unsterbliche besucht keine Bankette«, erwiderte Marcellus. Obwohl die Worte freundlich klangen, schien sich die Atmosphäre im Raum abzukühlen. Der Botschafter spürte, wie sich die Furcht in seinem Bauch bemerkbar machte.
    » Gerüchte über seinen Tod sind letztes Jahr bis auf unsere Inseln gedrungen«, sagte er nervös. » Ich bin froh, dass sie sich als unrichtig erwiesen haben.«
    Es war, als hätte er nichts gesagt. » Ihr und Eure Kollegen habt gewiss einen vollen Terminplan«, sagte der Erste Lord. Nichts hätte weiter von der Wahrheit entfernt sein können. » Also komme ich schnell zur Sache. Ich habe kein Interesse an Holz. Wir haben ganze Bataillone von Beamten, die sich mit so etwas beschäftigen. Aber ich habe einen Vorschlag für Euch, für Eure Regierung.« Er beugte sich vor, und alles Jungenhafte fiel von ihm ab. » Ihr wisst vielleicht, dass die Größe unserer Cité von den Arbeitern in den Hochöfen in den Nördlichen Einöden unterstützt wird. Ihre Arbeit ist sehr schwer, und die Todesrate ist sehr hoch. Der Krieg hat die Bevölkerung der Cité und die unserer Vasallen dezimiert. Wir brauchen mehr Arbeiter, um die Hochöfen zu betreiben.«
    Der Botschafter blieb stumm. Er war verblüfft. Wir sind doch nur ein kleines Land, dachte er, mit Fischern und Holzfällern. Wir haben keine Arbeiter übrig.
    Marcellus sprach weiter. » Im Westen Eurer Insel, eine Schiffsreise von etlichen Wochen nach Westen, wenn ich es richtig verstanden habe, befindet sich eine große Landmasse, die bis jetzt nicht zivilisiert wurde.«
    » Ja?«, erkundigte sich der Botschafter immer noch ratlos.
    » Dort gibt es Tausende, wahrscheinlich sogar Zehntausende von möglichen Arbeitern. Die Cité wird großzügig für jeden Mann oder jede Frau zahlen, die hierhergebracht werden, um in den Hochöfen zu arbeiten.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. » Sklaven?«, fragte der Botschafter dann.
    » Arbeiter. Wir haben festgestellt, dass Sklaven und verurteilte Verbrecher sehr schnell an den Hochöfen sterben. Arbeiter dagegen werden aufgefordert, einen Jahresvertrag zu unterschreiben. Das ist ein gesetzliches Dokument, das sowohl für die Arbeiter als auch für die Cité bindend ist. Es verleiht ihnen die Hoffnung, am Ende des Jahres, falls sie überleben, mit einer großzügigen Entschädigung nach Hause zurückkehren zu können. Diese Hoffnung hält sie am Leben. Einige von ihnen jedenfalls.«
    » Wie viele?«, fragte der Botschafter skeptisch.
    Marcellus Vincerus runzelte die Stirn. » Ich bin sicher, irgendein Funktionär aus den Büros des Palastes kann Euch die genaue Zahl nennen, falls Ihr sie wirklich erfahren wollt.«
    Deshalb also sind wir hier, dachte der Botschafter. Deshalb wurden wir eingeladen, bekamen Wein, Speisen und Schmeicheleien zu hören. Er will, dass wir Sklavenhändler werden. Der Botschafter hatte das Gefühl, der Boden unter seinen Füßen würde sich bewegen, und seine Angst wuchs.
    Er versuchte, auf Zeit zu spielen und tat so, als wäre er naiv. » Aber warum sollten sie dem zustimmen?«
    » Sie werden gut bezahlt.«
    » Nach ihren eigenen Maßstäben?«
    » Nach den Maßstäben der Cité.«
    » Ihr wollt, dass Männer von den Westlichen Inseln zu diesem Land segeln und diese Menschen auf unsere Schiffe verladen. Mit Gewalt?«
    Marcellus zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm gleichgültig, wie diese Aufgabe erfüllt würde.
    » Und dann sollen wir sie hierherbringen«, fuhr der Botschafter fort, » damit sie im Dienst der Cité sterben. Wofür wir bezahlt würden.«
    » Sehr gut bezahlt.«
    Der Botschafter blickte auf den Boden. » Ich kann nicht … nicht guten Gewissens …« Er geriet ins Stammeln, doch dann hatte er eine Idee. » Ich muss zurückkehren und diese Angelegenheit mit meinen Kollegen besprechen«, sagte er und lächelte, wie er hoffte, schmeichelnd. » Ich bin nicht befugt, so etwas allein zu entscheiden. Ihr werdet in Kürze über unsere Entscheidung informiert werden.«
    Er sah Marcellus an und wünschte sich im selben Moment, er hätte es nicht getan. Der Mann runzelte nicht einmal

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