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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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Straßen, der im kampffähigen Alter war. Zudem sah man auch immer seltener Kinder auf den Straßen, weder spielende noch arbeitende. Als Dol noch ein Kind gewesen war, war er etliche Jahre zur Schule gegangen, sogar in dem Armenviertel von Barenna, wo er aufgewachsen war. Jetzt gab es keine Schulen mehr, denn es gab nur noch wenige Kinder, um die man sich hätte kümmern müssen, und niemanden, der sie hätte unterrichten können. In der Cité wimmelte es von Alten, Verstümmelten, Vergesslichen und Vergessenen. Arbeiter jedoch wurden nach wie vor gebraucht. Es musste Erz abgebaut werden, und man musste die Gießereien betreiben, die Rüstungen und Waffen produzierten. Zudem mussten Schiffe gebaut und neue Verteidigungsanlagen errichtet werden.
    Gewiss, die Stadt brauchte auf jeden Fall Sklaven. Aber trotzdem, dachte Dol, muss Marcellus wirklich verzweifelt sein, wenn er sich persönlich um dieses Problem kümmert. Hatte er den Botschafter unter Druck gesetzt, damit er seinem Vorschlag zustimmte? Der Bericht des Spions war überaus unbefriedigend. Marcellus war ein rücksichtsloser Mann; er hätte weder so viel Macht noch so viel Einfluss gehabt, wenn er das nicht gewesen wäre. Aber würde er tatsächlich einen ausländischen Botschafter würgen, um ihn zum Gehorsam zu zwingen? Das erschien ihm ein wenig … drastisch. Marcellus war dafür bekannt, dass er sehr beherrscht war, und laut den sachlichen Worten des Berichtes hatte der Botschafter nichts gesagt, um den Zorn des Mannes zu erregen. Dol Salida hatte sich noch am Morgen im Palast erkundigt und erfahren, dass die Delegation im Morgengrauen abgereist war, vollzählig und gesund.
    Dol nahm einen dicken Aktenordner aus einem Regal über ihm. Auf dem Ordner stand Hallorus. Es schien ein minutiöser Bericht über die täglichen Verrichtungen eines Geschäftsmannes aus Otaro zu sein, der Rüstungen herstellte. Der Bericht war in seinen endlosen Einzelheiten wahrlich ermüdend. Diesen Mann gab es tatsächlich, aber er interessierte Dol Salida nicht. Das Dossier war verschlüsselt, eine eigene Erfindung des Urquat-Meisters, ein weiteres Vermächtnis aus seiner Zeit im Gefangenenlager. In Wirklichkeit ging es darin um Marcellus. In dem Bericht fand sich jedes Wort, das Dol über den Ersten Lord der Cité gehört hatte, alles, was er gelesen hatte, und alles, was er von seinen täglichen Aktionen im Palast abgeleitet hatte. So wie alles, was er außerhalb des Palastes durch Leute erfahren hatte, die den Mann kannten oder Leute kannten, die ihn getroffen hatten, seine Kammerdiener oder ihre Verwandten zum Beispiel. Wenn der Name Marcellus in seiner Hörweite fiel, wurden Datum und Zeit des Gesprächs notiert, zusammen mit Informationen darüber, wer den Namen genannt hatte und wem gegenüber, und dazu kam ein Verweis auf ihre eigenen Akten.
    Dashoul, der Führer des Geheimdienstes des Roten Palastes hatte Dol engagiert, damit er sein weites Netzwerk von Freunden, Kameraden und Verwandten nutzte, um Mädchen aufzuspüren, und manchmal auch Jungen, die den Dienst in den Armeen der Cité schwänzten. Dafür wurde er bezahlt, wenngleich nicht besonders gut. Marcellus zu studieren, das heißt in Wahrheit ihn auszuspionieren, war eine Aufgabe, die nur wenig Zeit in Anspruch nahm, aber sehr viel von seiner Aufmerksamkeit beanspruchte. Und er bekam dafür kein Geld. Seine Auftraggeberin hatte ihm klargemacht, dass er nur ihre Dankbarkeit erwarten konnte und die Chance auf eine mögliche Beförderung in der Zukunft.
    Er hatte Akten über alle wichtigen Mitglieder der Familien, obwohl nur wenige von ihnen noch über politischen oder militärischen Einfluss verfügten. Von allen Akten waren die Unterlagen über die Guillaumes und Khans die dicksten. Weder Marcus Rae Khan noch Reeve Guillaume hatten sich seit Jahrzehnten im Roten Palast sehen lassen. Und doch war jeder von ihnen auf seine Weise sehr wichtig. Marcus war etwa so alt wie die Vinceri, ein hoher General, der allerdings keine Rolle in den strategischen Plänen des Kaisers spielte. Denn er kontrollierte seine eigene Armee und machte, was er wollte. Aber er war unersetzlich, weil er ein brillanter Kommandeur war und von seinen Truppen geliebt wurde. Der Palast musste sein unorthodoxes Verhalten ertragen, denn er konnte es sich nicht leisten, ihn zu verlieren. Reeve Guillaume dagegen war ein Politiker, und zwar einer, der dem Unsterblichen gegenüber immer peinlichst loyal gewesen war. Trotzdem stand er in seinem Heim auf

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