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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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unvermittelt am Fuß der Treppe stehen, wie erstarrt.
    Hinter einer Marmorsäule tauchte mit gemächlichen Schritten ein Gulon auf.
    Amita hatte eine solche Kreatur erst einmal zuvor gesehen, unten in den Hallen. Aber dieses Exemplar war erheblich größer. Es hatte die Größe eines großen Hundes, und der Scheitel seines Kopfes reichte ihr fast bis zum Kinn. Sein Fell war graubraun gestreift, und seine Augen waren zwar gelb, wirkten ansonsten aber unheimlich menschlich. An den langen, dunklen geschwungenen Wimpern hingen dicke, feuchte Tropfen.
    Das Tier blieb stehen, als es sie sah und betrachtete sie nachdenklich. Es war fast, als würde Amita dem Gulon den Weg versperren, so wie umgekehrt das Tier sie am Weitergehen hinderte. Amita wich zurück zur Treppe, und nach einem Augenblick ging der Gulon an ihr vorbei, ohne sie aus den Augen zu lassen. Als er unmittelbar neben ihr war, konnte sie den Gestank seines öligen Fells riechen und hörte seinen zischenden Atem. Dann glitt er hinter einen Wandteppich, und nur sein buschiger Schwanz ragte noch einen Moment lang hervor. Dann war er verschwunden. Amita raffte erneut ihre Röcke und lief weiter.
    Erst im Augenblick ihres Todes sollte sie sich daran erinnern, dass der Gulon einen goldenen Halsreifen getragen hatte.

32
    Das Kleine Opernhaus hatte schon hundertfach als Nachbildung aus Konfekt auf den Tischen des kaiserlichen Speisesaals gestanden. Es war rund und weiß, und vom Ufer des Sees aus betrachtet, wirkte es wie aus Zuckerwatte gesponnen. Seine schlanken Säulen schienen zu zart, um das reich verzierte Dach halten zu können. Man näherte sich ihm über einen schmalen Damm aus weißem Marmor, und als Petalina zügig darüberging, flankiert von zwei stummen Soldaten, fragte sie sich wie schon häufig, was wohl zuerst da gewesen war, das Gebäude oder der See, den es schmückte. Jenseits des Sees erstreckte sich Marschland, auf dem Schafe weideten, helle Flecken, die in dem abnehmenden Licht gerade noch zu erkennen waren.
    Sie kannte ihre Eskorte nicht. Außerhalb ihrer Gemächer wurde sie stets von Angehörigen von Marcellus’ persönlicher Leibwache eskortiert. Von denen kannte sie viele, aber diese beiden Männer hier waren ihr fremd. Sie vermutete, dass ihr Geliebter einige persönliche Veränderungen vorgenommen hatte, denn er sagte oft, dass so gut ausgebildete Krieger Besseres zu tun hätten, als ihm im Palast hinterherzulaufen. Oder auch mir, dachte sie, obwohl er das nicht gesagt hatte.
    Auf dem Damm war es kühl und windig, aber sobald sie die Hallen erreicht hatte, führte eine Treppe hinab zu einer schüsselartigen Kammer, in der es warm war, wenn sich dort Leute aufhielten. Heute war es herbstlich kühl, und Petalina konnte im Zwielicht Schwäne als weiße Ovale erkennen. Es war Vollmond, und die runde Scheibe schien die auf dem Wasser schwimmenden Schwäne und die weidenden Schafe zu spiegeln.
    Als sie die Halle betrat, stellte sie überrascht fest, dass sie keineswegs zu spät gekommen war – oder dass zumindest andere noch später kamen. Abgesehen von den Musikern, die ihre Instrumente stimmten und dabei die übliche Kakophonie erzeugten, und den Dutzenden von Wachsoldaten gab es nur wenig andere Gäste, überwiegend ältere Ratgeber und Würdenträger. Sie sah sich um, aber Marcellus war nicht da. Dafür aber Rafael. Von ihrer Schwester jedoch war nichts zu sehen.
    » Wo ist Fiorentina?«, erkundigte sie sich bei Rafael, als er lächelnd auf sie zukam.
    » Sie glaubt, sie habe sich erkältet«, erwiderte er ernst.
    Petalina zog anmutig die Brauen zusammen. » Aha«, bemerkte sie.
    » Sie hat mich gebeten, dich an die Kopfschmerzen zu erinnern, unter denen du in der Nacht des Vortrags von Bal Carissa über die Unterwelten der frühen Imperien gelitten hast.«
    » Das kann man wohl kaum miteinander vergleichen«, erwiderte sie, sah zu ihrem Schwager hoch und klimperte mit den Wimpern. » Hier ist niemand, mit dem ich reden könnte«, beschwerte sie sich, während sie sich umsah.
    » Ich bin hier, Mylady«, erwiderte er zuvorkommend.
    Sie schob ihre Hand unter seinen Ellbogen. » Dann musst du mich heute begleiten, denn wie es aussieht, hat Marcellus mich sitzen lassen.«
    In dem Moment erinnerte sie sich wieder an Amita und die Corsage. Das verdammte Mädchen hat sich verlaufen!, dachte sie gereizt. Sie blickte hoffnungsvoll zum Hauptportal, durch das in diesem Moment Marcellus hereinkam, eskortiert von vier bewaffneten Wachen. Hier sind heute

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