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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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und lächelte. Seine Laune besserte sich schlagartig. Er setzte sich wieder hin, unterschrieb den Brief mit einem letzten Schnörkel und hielt ihn dann an die Laterne, damit die Tinte trocknete.
    Sein Bruder duckte sich durch die Zeltklappe hinein. Er grinste breit.
    » Gut gemacht«, sagte Maron. » Du hast Pieter Arendt und seine Adjutanten gründlich durchnässt.«
    Sie lächelten sich an. Zwischen den beiden Familien gab es eine lange Rivalität. » Der Mann hat einfach zu viele Adjutanten«, bemerkte Hayden.
    Maron hustete. » Hier stinkt es«, beschwerte er sich. » Diese Laterne qualmt.« Hayden grunzte nur, und Maron ging zu einer Anrichte und schenkte sich ein Glas Wein ein. Er trank einen großen Schluck, um seine Kehle zu befeuchten, setzte sich dann in einen Klappstuhl aus Segeltuch und streckte behaglich die Beine aus. Er sah zu, wie sein Bruder den Brief faltete und versiegelte.
    Maron Weber hatte gewartet, bis Gil Rayado mit Fell und den anderen den Alten Berg verlassen hatte. Dann hatte er seinen kleinen Beutel mit Habseligkeiten gepackt, war auf sein Pferd gestiegen und allein nach Südwesten geritten. Das feindliche Territorium hatte er nachts durchquert, bis er schließlich die Garnison der Odrysianer am Berg Gargaron erreicht hatte. Dort hatte er zwei endlos scheinende Tage totschlagen müssen, während der Kommandeur seine Identität überprüft hatte, bevor er ihn mit den besten Wünschen in Richtung der Armee der Petrassi weitergeschickt hatte, die zehn Wegstunden weiter südlich lagerte.
    Jetzt war der Tag, den sie so lange vorbereitet hatten, endlich gekommen. Die Sprengstoffe waren angebracht. Alle hatten ihre Befehle. Jetzt konnten sie nur noch warten. Maron machte es sich in seinem Stuhl gemütlich. Er hatte vierzig Jahre lang gewartet. Da machten ihm ein paar Stunden auch nichts mehr aus.
    Sein Bruder legte den Brief auf den Tisch, klopfte liebevoll darauf und sah dann Maron an. Die beiden Brüder ähnelten sich überhaupt nicht. Hayden, der ältere, war groß und dünn, ging leicht gebeugt und erweckte den Anschein eines Gelehrten. Maron, untersetzt und breitschultrig, sah eher aus wie ein altgedienter Soldat, obwohl er schon sehr lange kein Soldat mehr war.
    » Du hast nie irgendwelche Zweifel, hab ich Recht?«, bemerkte Hayden. Es war keine richtige Frage.
    » Du dagegen bestehst nur aus Zweifeln«, gab sein Bruder zurück.
    » Nur, wenn wir zwei allein sind. Aber niemals vor meinen Männern.«
    Maron nickte.
    Ein Soldat trat durch die Zeltklappe herein und schüttelte sich wie ein Hund. Hayden runzelte die Stirn, als er von Regentropfen besprüht wurde.
    » Entschuldigung, Ser«, sagte der Adjutant, obwohl er nicht sonderlich betrübt aussah. Vielleicht hatte er auch draußen gestanden, als der Guss vom Zeltdach kam. » Es kommt ein Reiter aus dem Norden.«
    » Führ ihn herein.«
    Der Adjutant nickte und trat wieder hinaus in den Regen.
    » Ich sage ja nur«, meinte Hayden, als wäre er nicht unterbrochen worden, » dass Marcellus als Kaiser so gut wie sicher Friedensverhandlungen anbieten würde. Das berichten uns viele Quellen, einschließlich Archange.«
    » So gut wie sicher«, wiederholte Maron. » Wie viele Tausende Leben, die Leben unserer eigenen Leute, hängen von diesem ›So gut wie sicher‹ ab? Es ist zu spät, Bruder. Städte sind vernichtet worden, ganze Nationen wurden ausgelöscht. Viele Generationen unserer jungen Männer wurden getötet. Die Petrassi sind fast ausgelöscht. Unsere Freunde die Odrysianer werden ebenfalls immer weniger, und ihre Frauen verstecken sich in fremden Ländern. Ich war im Palast des Löwen, vergiss das nicht. Es sind nur noch weniger als zweihundert Tuomi übrig.« Sein e Stimme w urde rau vor Gefühl, und er machte eine kleine Pause.
    » Ich kenne Marcellus«, rief er seinem Bruder dann ins Gedächtnis, ruhiger diesmal. » Und ich glaube nicht, dass ich ihn so einschätzen würde.«
    Hayden runzelte die Stirn und legte einen Finger an die Lippen. Maron verstummte, und sie hörten eine noch größere Stille von draußen, wo die Soldaten die Luft anhielten, um ihren Streit zu belauschen. Im nächsten Moment hörten sie Schritte und Stimmen, dann tauchte der Adjutant wieder in der Zeltöffnung auf. Er schob einen jungen Mann in Reitkleidung und einem wasserdichten Umhang vor sich herein. Der Reiter war kaum älter als ein Kind, schlank und blass. Sein strohblondes Haar klebte ihm am Kopf, und der Regen troff von seinem Umhang. Er starrte

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