Der Moloch: Roman (German Edition)
Spiegelbild zahllose Male wiederholt wurde, als er hindurchging.
Fell sah sich um und lächelte. Es gab mehr als zweihundert Krieger in dieser Halle, die ihn alle anstarrten. Aber es spielten nur zwei eine Rolle, und zwar die beiden direkt hinter ihm. Er drehte sich um und grinste sie gelassen an. Sie hatten ihre Schwerter in der Hand und waren nur eine Schwertlänge von ihm entfernt, aber sie würden ihn nicht daran hindern können, den Kaiser zu töten, wenn der Mann auch nur auf sechs Schritte Abstand an ihn herantrat. Er fasste neuen Mut und erlaubte sich sogar, über seine Chancen nachzudenken, sich hier herauszukämpfen.
Eine Tür knarrte, und er warf einen Blick auf den kristallenen Durchgang, aber dort war niemand. Sein Kopfschmerz war stärker geworden, und er konzentrierte sich darauf, Hals und Schultern zu entspannen, konzentrierte sich auf die Kraft in seinen Armen und Beinen. Ich werde mein Messer nicht brauchen, dachte er. Ich werde ihn mit bloßen Händen töten. Ich werde ihm das Genick brechen, und dann, wenn ich noch am Leben bin, auch das Rückgrat, nur um sicherzugehen.
Ein Mann schritt durch die Kristalltür. Er ging durch die Halle und blieb etwa zehn Schritte vor Fell stehen.
Fells Enttäuschung war niederschmetternd. Der Mann war mittelalt, groß, blond und bärtig und hatte den ausdruckslosen Blick eines Mannes, der sein Leben mit Büchern verbracht hatte oder darauf wartete, die Rolle eines anderen zu spielen. Er war wie eine blanke Schiefertafel. Er lächelte Fell liebenswürdig an. Auch nur einer dieser Doppelgänger, ein Abbild.
Fell schob seine Gefühle beiseite. Das ist nur ein weiteres Hindernis, das ich überwinden muss, dachte er. Du hast bereits den Test bestanden, dem Boaz dich unterzogen hat. Jetzt musst du noch diesen Test bestehen, und dann bekommst du vielleicht die Chance, den richtigen Kaiser zu treffen.
» Herr«, sagte er und senkte demütig den Kopf.
» Wir haben uns schon einmal getroffen, Arish«, sagte der Mann. Seine Stimme klang hell und vollkommen farblos.
» Als ich ein Kind war, ja, Herr«, erwiderte Fell. Damals hattest du nur ein Auge, Herr.
» Es ist verblüffend, was man mit Glas alles machen kann«, sagte der Mann. Keines der beiden Augen sah aus, als wäre es aus Glas. Beide waren schwarz und so warm wie ein Totenschädel. Ein Augenlid hing etwas herunter, als wollte der Mann gleich zwinkern. Fell wusste, dass Maron ihm etwas über diese Augen gesagt hatte, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, was es gewesen war.
Das Gefühl von Furcht und Verwirrung schien sich wie ein erstickender Mantel um ihn zu hüllen. Kann er meine Gedanken lesen?
Der Mann lächelte. » Nein, ich kann deine Gedanken nicht lesen, Arish. Aber ich kann mich an dich erinnern, als du noch ein Kind von etwa sechs Jahren warst. Ich habe dir den abgeschlagenen Kopf deines Vaters gezeigt. Er war damals bereits grün von Fäulnis, doch du warst tapfer und hast nicht geweint. Daran kann ich mich noch erinnern, obwohl ich gerade ein Auge verloren hatte und Schmerzen litt. Es war deine Mutter, die mir dieses Auge genommen hat. Wusstest du das?«
Fell versuchte zu denken, aber der Schmerz in seinem Kopf war einfach zu quälend. Der Mann wirkte so vernünftig, so freundlich, dass Fell anfing zu glauben, er hätte einen schrecklichen Fehler begangen, indem er hierhergekommen war.
Der Mann trat vor, dichter an Fell heran. Durch den Schmerz und die Verwirrung nahm Fell seinen Gestank war. Er roch nach etwas, das schon lange tot war, das endlos langsam verfaulte, und er sah, dass die Kleidung des Kaisers unendlich schmutzig war, als hätte er sie sein ganzes Leben lang getragen. Ekel durchströmte ihn, und sein Verstand klärte sich ein wenig. Die Kreatur stand jetzt ganz dicht bei ihm. Fell wusste, dass das wichtig war, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, warum. Es kost ete ihn a ll seinen Mut, sich nicht umzudrehen und wegzulaufen.
» Du bist nicht mein Sohn, hab ich Recht, Fell?«, sagte der Mann. » Das wussten wir schon immer. Du bist hergekommen, um mich zu töten wie all die anderen.«
Nach einer Pause fuhr er fort: » Wir kennen all eure Pläne. Deine Freunde haben dich verraten. Und ihr werdet alle sterben, und zwar langsam. Denn sie werden alle in diesen Raum kommen, einer nach dem anderen, all die kleinen Verschwörer. Sie werden sich auf mich stürzen, und sie werden zerbrechen genau wie all diese kleinen Nationen, diese unbedeutenden Städte, die sich gegen die Cité
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