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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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dauerhaft verkrümmten Fingern, wie durch eine Krankheit oder durch Folter entstellt. Er war ein legendärer Krieger, obwohl er seit über dreißig Jahren kein Schlachtfeld mehr betreten hatte.
    » Dein Ruf eilt dir voraus«, sagte der General nach einer Weile. » Wo möchtest du dienen, jetzt, wo die Maritime nicht mehr existiert?«
    Fell war überrumpelt. Darüber hatte er keinen Augenblick nachgedacht, weil er nicht erwartete, seine Mission zu überleben.
    » Ich gehe, wohin man mich schickt«, antwortete er unerschütterlich.
    Während er Boaz durch ein anderes Labyrinth von Gängen folgte, flankiert von den beiden Wachsoldaten, überlegte Fell, welche Motive der General wohl haben mochte. Angeblich war er dem Kaiser loyal ergeben, aber falls der Unsterbliche tot war, würde er zu den Männern gehören, die den Kaiser am besten ersetzen könnten. Marons Plan würde Marcellus zum Kaiser machen, aber die Vinceri waren vom selben Schlag wie der Kaiser, vielleicht nicht besser als er, vielleicht sogar schlimmer. In all seinen Gesprächen mit Maron hatte Fell dem Mann niemals entlocken können, was die Serafim seiner Meinung nach wirklich waren. Manchmal nannte er sie Menschen, dann wieder unmenschlich. Einmal sagte er, sie seien Dämonen. Dann wieder reagierte er ungeduldig auf die Frage und erwiderte brüsk, dass die Serafim genauso durch ein Schwert sterben konnten wie jeder Mensch, wie alle Menschen.
    Fell empfand eine tiefe Unsicherheit, was den Plan anging, an dem er da beteiligt war, aber an eines glaubte er ganz fest: Der Kaiser würde sterben, bevor dieser Tag sich dem Ende zuneigte. Das war seine erste und seine einzige Pflicht. Wenn er Erfolg hatte, würden viele Entscheidungen getroffen werden müssen, aber nicht von ihm.
    Er dankte den Göttern, dass er und Broglanh ihr Brandzeichen durch hässliche Narben ersetzt hatten, die frische Schnittwunden imitierten. Maron hatte ihm gesagt, dass die Palastwachen von den gebrandmarkten Männern wussten, aber nicht wussten, was die Zeichen bedeuteten. Er fragte sich, ob Riis sein Brandzeichen ebenfalls verborgen hatte. Er hoffte es sehr.
    Sie traten durch die grünen Mauern des Frieds und folgten einem breiten Korridor, der steil nach oben führte. Am Ende befand sich eine riesige Tür, vergoldet und rot bemalt. Sie wurde von zwei Soldaten der Eintausend bewacht. Das muss ein wichtiger Ort sein, dachte Fell, denn die Eintausend leisteten normalerweise keinen einfachen Wachdienst. Er entspannte sich und vergewisserte sich noch einmal der genauen Position des kleinen Messers in seinem Wams, erinnerte sich daran, wie sich der Griff in seiner Hand anfühlte.
    » Das hier ist die Halle der Kaiser«, verkündete Boaz und trat ein.
    Fell sah sich um. Sie befanden sich in einem riesigen zylinderförmigen Saal, der rund und sehr tief hinunterreichte. Sie hatten ihn fast am obersten Ende betreten. Eine breite Treppe, die mit einem roten Teppich ausgelegt war und von Hunderten von Fackeln erleuchtet wurde, führte an den gewölbten Wänden der Halle allmählich zum Boden hinab, der rot und glatt war wie frisches Blut. In der Halle herrschte eine gespannte Atmosphäre, Angst, die sich wie eine stinkende Decke über Fell legte und jeden seiner Gedanken erstickte. Er schüttelte den Kopf, um sie abzuschütteln und spürte, wie er augenblicklich Kopfschmerzen bekam. Er atmete vorsichtig durch den Mund und schmeckte die stinkende Luft. Es roch wie ein seit Jahrhunderten geschlossenes Leichenhaus. Sein Magen rebellierte, und er kämpfte gegen den Drang, sich umzudrehen und aus dem Raum zu flüchten.
    Grimmige Krieger der Eintausend standen in zwei Schritten Abstand voneinander auf der Treppe. Fell war fast erleichtert, sie zu sehen. Sie waren Männer wie er, gewöhnliche Männer aus Knochen, Muskeln und Blut, und wenn sie es an diesem schrecklichen Ort aushielten, dann konnte er das auch.
    Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatten, erkannte Fell, dass der Boden nicht mit Blut bedeckt war, sondern unter Wasser stand. Es war nicht einmal knöchelhoch, und darunter lag ein roter Teppich. Aber das Wasser wirkte ölig und bedrohlich, und Fell zögerte, seinen Fuß hineinzusetzen. Er tat es trotzdem, und es platschte ein bisschen, während er Boaz in die Mitte des hohen Raumes folgte.
    » Warte hier«, befahl der General. Er durchquerte den überfluteten Raum und verschwand durch eine Tür, die von einer Substanz eingerahmt war, die Licht reflektierte wie Kristall. Fell sah, wie sein

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