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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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gestellt haben und an ihren Mauern zerbrochen sind.«
    Er schien jetzt größer geworden zu sein, und Fell hatte das Gefühl, wieder das Kind Arish zu sein. Er senkte den Kopf, schlug die Hände vors Gesicht und verschloss die Augen vor dem Schmerz und der Verwirrung, versuchte sich zu verbergen. In der Ferne hörte er, wie ein Gong geschlagen wurde, immer und immer wieder. Das Geräusch schien den pulsierenden Schmerz in seinem Kopf zu kontrapunktieren. Er presste den rechten Zeigefinger in die Mulde in seinem Schädel, wo ihn vor so langer Zeit die Lanze getroffen hatte. Manchmal verschaffte ihm das Linderung. Er drückte fest zu und spürte, wie sein Verstand sich ein wenig klärte.
    Er erinnerte sich wieder daran, warum er hier war. Er blickte hoch. Die Kreatur hatte ihm den Rücken zugekehrt und ging zurück zu dem kristallenen Durchgang. Fell blinzelte, versuchte, sich von dem Gifthauch in seinem Verstand zu befreien. Er griff in seine Jacke und berührte den glatten Griff des Dolches. Alle seine Finger fühlten sich an wie Daumen. Das Messer wollte nicht herauskommen. Schließlich hielt er es doch in der Hand, und mit einer geschmeidigen Bewegung, die seiner Erinnerung zu entspringen schien, schleuderte er das Messer mit aller Kraft. Er sah, wie es sich tief in den Rücken der Kreatur grub.
    Niemand hatte ihn aufgehalten. Niemand hatte sich gerührt. Der Kaiser blieb stehen. Dann griff er ungelenk an seinen Rücken, drehte die Ellbogen und zog das blutverschmierte Messer aus seinen Nieren. Er ließ es auf den Boden fallen, und erst dann drehte er sich herum.
    » Tötet ihn nicht. Ich will ihn lebendig und unversehrt«, befahl er seinen Kriegern.
    Dann verließ er den Raum, und die Soldaten schienen wieder Luft zu holen. Überall an den Wänden regten sie sich, als würden sie aus einem Traum aus Eis erwachen. Fell hörte das Flüstern von Metall auf Leder hinter sich, rannte durch den Raum, hob das kleine Messer vom Boden auf und drehte sich um, um sich zu verteidigen.

43
    Die große Wasserwand aus dem zerbrochenen Staudamm brauste die Hügel hinab und vernichtete alles auf ihrem Weg. Bäume, die schon länger gestanden hatten, als es Menschen gab, wurden wie Zweige zerbrochen. Die wenigen Tiere, die noch in dieser Einöde lebten, hungerndes Rotwild und dürre Füchse rannten davor weg, wurden jedoch eingeholt und zermalmt. Die Welle ließ nichts zurück als blanken Fels und tote Erde.
    Die Adamantine-Mauer stand seit mehr als achthundert Jahren, nach Süden gerichtet, ein Symbol der Macht und Arroganz. Sie war erbaut worden, als sich die noch junge Cité auf ihrem Höhepunkt befand, und war ein Trompetenstoß des Trotzes in Richtung der Königreiche der Südländer, die selbst durch Handel reich geworden waren und stolze Armeen unterhielten. Die Mauer ersetzte den älteren Sarantine-Wall, vier Wegstunden weiter im Norden, und war an manchen Stellen mehr als vierzig Spannen hoch, am Fuß dicker als oben auf der Krone und wurde alle hundert Meter von einem niedrigen Turm unterbrochen. Sie war aus Kalksteinquadern erbaut, die so geschickt geschlagen worden waren, dass sie ohne Mörtel zusammenpassten. In der Mauer befand sich nur ein einziges zweiflügliges Tor, und sie galt als unüberwindbar. Denn in den fast eintausend Jahren, die sie stand, war sie kein einziges Mal geschleift worden.
    Die Soldaten, die an diesem Tag auf den Zinnen Dienst taten, waren die letzten Überlebenden der Vierzehnten Imperialen Infanterie, genannt die Schaufelblätter. Sie patrouillierten seit Tagesanbruch und murrten untereinander, wie es für Soldaten typisch war. Sie beschwerten sich über das schlechte Essen, über den erbärmlichen Mangel an Nachschub, vor allem was Waffen und Rüstungen anging. Außerdem missfiel es ihnen, eine Mauer besetzen zu müssen, die ganz eindeutig niemand bewachen musste. Sie ärgerten sich über ihre Kommandeure, den Regen und die verfluchten faulen Säcke von der Siebten, der Siebten Leichten Infanterie, die sie eigentlich gegen Mittag hätten ablösen sollen, aber unerklärlicherweise nicht aufgetaucht waren. Vor allem aber ärgerten sie sich darüber, dass ihre tägliche Bierration gestrichen worden war. Den größten Widerwillen jedoch hegten sie gegen die Nachtfalken, deren Platz sie erst vor ein paar Tagen hatten einnehmen müssen, als diese Pferdeschinder vollkommen ungerechtfertigterweise befördert und zu den Eintausend versetzt worden waren.
    Sie sahen die Wand aus Wasser nicht kommen,

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