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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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anderen errichtet worden war.
    » Weißt du, wo wir sind?«, fragte er das Mädchen, obwohl er sich die Antwort denken konnte. Das Kind schüttelte den Kopf.
    Es war staubig und trocken in der Halle, als hätte hier seit Jahrhunderten kein Wasser mehr den Boden berührt. Dennoch befanden sie sich weit unterhalb der Ebene der Regenwasser-Überlauftunnel. Wie konnte eine tiefer gelegene Ebene so trocken sein? Mit einem Schulterzucken tat Bartellus diese Frage ab. Er war weder Architekt noch Ingenieur, sondern nur ein Soldat.
    Sie gingen weiter. Das Mädchen hielt immer noch seine Hand, und nach kurzer Zeit tauchte das Ende einer steinernen Brücke vor ihnen auf. Sie schien einen breiten, trockenen Weg zu überspannen, vielleicht ehemals einen Fluss, vermutete Bartellus. Das war doch sicherlich keine Straße? Er hob zwar die Fackel, konnte aber weder sehen, wie hoch die Brücke reichte, noch das andere Ende erkennen. Die gewaltigen Stufen begannen weit über ihren Köpfen. Die Brücke schien für Riesen gemacht worden zu sein.
    » Sollen wir hinübergehen?«, fragte er das Mädchen. Er war überzeugt, dass dieses Kind über einen ziemlich guten Orientierungssinn verfügte und wusste, wohin sie gingen. Es schien recht zuversichtlich zu sein, obwohl Bartellus vermutete, dass auch das Kind niemals zuvor so tief hinabgestiegen war. Aber er war froh, dass das Mädchen die Entscheidungen für sie beide traf. Es war ihre einzige Kommunikation.
    Es sah sich ernst um und nickte dann.
    Er bückte sich, nahm das Kind hoch und stellte es auf die erste der riesigen Stufen. Dann winkte er es ein Stück zurück, und als es gehorchte, warf er die lodernde Fackel auf die Stufe neben das Kind. Es sprang sofort hin, hob die Fackel auf und hielt sie für ihn hoch.
    Er sah sich um. In einer staubigen Ecke lag ein Stapel aus zerbrochenem Holz und großen Baumstämmen, als hätte der gigantische Brückenbauer sie mit dem Besen dort zusammengefegt. Er zog zwei der größeren Blöcke zum Fuß der Brücke, stapelte dann etliche Holzstücke darauf und baute so zwei improvisierte Stufen. Wenn Sie gezwungen waren, auf demselben Weg zurückzukommen, würde er wenigstens heil herunterkommen.
    Die Stufen zur Brücke waren für Emly zu hoch, also hob Bartellus sie auf jede einzelne hinauf und kletterte selbst hinterher. Es war sehr mühsam, und als sie endlich das Ende der Treppe erreichten, hatte er nicht das Gefühl, dass sie weitergekommen waren. Sie standen zusammen in der hallenden Finsternis. Es gab keinerlei Geräusche, nicht einmal das leise Klicken oder Quieken von Ratten. Seit dem Sturm hatte Bartellus ständig auf das Geräusch von Wasser gelauscht. Er stellte sich vor, wie eine Sturmflut aus der Dunkelheit auf sie zufegte und sie wie Staubflocken von der Brücke wischte.
    Aber es gab keine Geräusche, kein Wasser. Er sammelte seine Energie, um weiterzugehen, sah sich noch ein letztes Mal um, und dann fiel sein Blick auf einen weißen Fleck unter ihnen. Er kniff die alten Augen zusammen, um zu erkennen, was es war. Schließlich erkannte er, dass es der Umriss eines Mannes war, der in fahle Roben gekleidet am Fuß der Brücke unter ihnen stand. Er machte den Mund auf, um ihm etwas zuzurufen, doch da verließ ihn der Mut. Die Gestalt hatte keine Fackel dabei. Niemand konnte ohne Licht so tief unten in den Hallen überleben. Wieder dachte er an die Geschichten, die die Kloaker voller Angst und manchmal mit heimlichem Vergnügen erzählten, von den Kreaturen in den Tiefen, die sie Gespenster nannten. Er schüttelte den Kopf über diesen Unsinn.
    » Warte«, sagte er dem Mädchen.
    Doch als er wieder hinsah, war die bleiche Gestalt verschwunden. Er sah sich um und spähte in die stumme Dunkelheit. Das Kind beobachtete ihn neugierig. » Schon gut, es war nichts«, sagte er.
    Sie saßen eine Weile da und tranken von dem Wasser, das Archange ihnen mitgegeben hatte. Dann gingen sie weiter und kletterten am anderen Ende der Brücke hinab. Danach stieg der Pfad rasch an, und die Reise verlief beinahe entgegengesetzt zu ihrem Weg hinunter; zuerst kamen sie durch hohe Hallen, dann wurden die Tunnel immer kleiner und enger und feuchter. Schon bald wanderten sie am Ufer eines Flusses entlang, so wie sie es getan hatten, bevor der Sturm kam. Bartellus kannte den Tunnel nicht, aber das Mädchen schien zu wissen, wo sie waren. Es verblüffte ihn, dass das Kind immer noch Kraft hatte zu gehen, wo er schon das Gefühl hatte, seine Beine würden ihm jeden Moment

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