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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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als Indaro selbst, die Emlys Gegenwart gar nicht wahrzunehmen schien. Die Hand war leblos und kalt, obwohl das Mädchen von Zeit zu Zeit den schwachen, langsamen Puls ihrer Lebenskraft tief unter der Haut spüren konnte. Emly fühlte sich benommen und zu erschöpft, um sich zu einer Bewegung aufzuraffen. Sie hatte alle Hoffnung und all ihr Trachten darauf gesetzt, ihren kranken Vater aus dem Kerker zu befreien. Aber jetzt hatte er sich so verändert, dass sie ihn nicht wiedererkannte. Wie betäubt beobachtete sie, wie er voller Entschlossenheit auf dem Treppenabsatz auf und ab marschierte, beobachtete, was bei den feindlichen Kämpfern dort unten vor sich ging und sich mit seinen Soldaten beriet oder Befehle erteilte. Er trug eine Rüstung, einen Brustpanzer und einen Schwertgürtel. Sie erkannte ihn nicht mehr.
    Evan blieb an seiner Seite, hatte nur Augen für den General, hörte ihm zu und gab Ratschläge. Er schaute nicht ein Mal zu ihr herüber. Sie fühlte sich hilflos und schrecklich allein.
    Doch dann hatte sich Bartellus hingekniet, um Indaro etwas zu sagen, und dabei Emly ein kurzes Lächeln geschenkt, das ihr das Herz ein wenig erwärmte. Und Indaro hatte ein Wort gesagt, das Emlys Seele wieder zu neuem Leben erweckte.
    » Elija.«
    » Elija war bei euch?«, fragte Bartellus überrascht. Indaro nickte. » Broglanh, wusstest du davon?« Evan schüttelte den Kopf.
    » Wo ist er?«, setzte Emly nach. » Lebt er noch?«
    » Er ist verletzt«, flüsterte Indaro. Sie wies nach hinten zu den Türen. » Dahinten.«
    Sie schien wieder das Bewusstsein zu verlieren. Das Mädchen widerstand dem Impuls, sie zu schütteln. » Wo ist er? Ist er schlimm verletzt?«
    » Arm gebrochen«, erwiderte die Frau mit geschlossenen Augen.
    » Wo? Wo ist er?« Emly flehte die Frau fast an. » Bitte!«
    Die Frau verzog das Gesicht. Es gab eine lange, frustrierende Pause. Dann schlug sie die Augen auf. Sie waren so blau wie Veilchen. » Dahinten«, wiederholte sie bestimmter, obwohl ihre Stimme schwach klang. » Den Korridor hoch. Die Steintreppen hinauf. Behalte die grüne Mauer zu deiner Rechten … nein, ich meine, zur Linken. Nimm die erste … nein, die zweite rechts. Der Korridor hat einen weißen Marmorboden und eine blaue Decke. Der Raum …«, sie zögerte einen Moment, kramte in ihrer Erinnerung. » Der Raum liegt auf der rechten Seite. Er hat geschnitzte Türen. Einen Brunnen mit Delfinen. Ich habe ihm gesagt, er soll sich da verstecken.«
    Emly sprang auf. Ihre Lethargie war auf einmal wie weggeblasen. » Ich werde ihn finden«, sagte sie zu ihrem Vater. Sie schnappte sich einen halb vollen Trinkbeutel, der auf dem Boden lag und sah sich nach etwas um, mit dem sie sich verteidigen konnte.
    Bartellus packte sie am Arm. Sie fürchtete schon, er würde sie aufhalten, aber er sagte nur: » Ich kann dir niemanden zu deinem Schutz mitgeben.«
    » Ich komme allein besser zurecht«, versicherte sie ihm, obwohl das nicht der Wahrheit entsprach. Evan reichte ihr ein Messer mit langer Klinge. Ohne weiter auf ihn zu achten, schob sie es in ihren Hosenbund. Sie holte tief Luft.
    » Beeil dich«, sagte ihr Vater. » Der Palast bricht bald zusammen. Wenn du ihn findest, komm hierher zurück, wenn es möglich ist. Der Fried ist der älteste Teil des Gebäudes. Wahrscheinlich ist es hier am sichersten.«
    Emly schaute zu den Hunderten von bewaffneten Kämpfern hinunter und dachte, dass die Halle der Kaiser wahrscheinlich der gefährlichste Ort war, an dem sie sich jemals aufgehalten hatte. Aber sie nickte nur und dachte an ihren Bruder. Wenn sie ihn fand und er dann noch am Leben war, würde sie entscheiden, was als Nächstes zu tun war.
    Bartellus zog sie einen Moment lang an sich. » Viel Glück, kleine Kämpferin«, flüsterte er. Dann ließ er sie los und wandte sich wieder seinen Männern zu.
    Emly rannte den Korridor entlang und war froh, endlich etwas zu tun zu haben. Sie sah sofort die steinerne Treppe, die nach oben führte. Sie rannte mit der Hand am Messergriff hinauf. Oben angekommen folgte sie dem Korridor, hielt wie angewiesen die grüne Marmorwand zu ihrer Linken. Es war ein langer Korridor, der einen Bogen beschrieb. Nervös schlich sie weiter und achtete furchtsam auf weitere Soldaten. Sie konnte niemanden entdecken, obwohl sie in der Entfernung Schlachtenlärm, Schreie und Rufe hörte.
    Dann hielt sie inne und lauschte. Etwas näherte sich. Etwas Furchterregendes. Sie spürte, dass ihre Hände zu zittern begannen und ihr

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