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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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Herz heftiger schlug. Sie schaute sich um, aber sie konnte sich nirgendwo verstecken. In jeder Richtung lagen nur kahle Mauern. Sie stöhnte, und ihre Beine gaben nach.
    Ein junger Mann, schlank, blond und in Grün gekleidet kam um die Biegung des Flurs. Er war jünger als sie und sah aus, als hätte er noch mehr Angst als sie selbst. Emly spürte, wie ihre Furcht schwand. Hatte dieser Junge auch Angst vor dem, was da näher kam? Sie ging in seine Richtung, dann liefen sie aneinander vorbei, jeder auf seiner Seite des Korridors, und starrten einander ängstlich an. Emly überlegte, ob sie etwas sagen sollte, aber der junge Mann sagte nichts, sondern beobachtete sie nur. Sie sah, dass seine Augen schwarz waren wie Pech. Dann war sie auch schon an ihm vorbei und eilte weiter.
    Rechts zweigte ein Flur ab. Sie ging vorbei und nahm den zweiten. Dort kam sie nicht etwa in einen Flur mit einer blauen Decke, sondern fand sich plötzlich einem großen Schutthaufen gegenüber, weil ein Teil des Gebäudes eingestürzt war. Es musste gerade erst passiert sein, denn der Staub hing immer noch in der Luft. Emly konnte sehen, wie von oben Tageslicht hereinfiel. Sie bahnte sich ihren Weg über Steine und Balken und spähte nach vorn. Als sich unter ihrem Fuß etwas bewegte, blieb sie stehen und sah, wie die Steine wegrutschten und eine Staubwolke aufwirbelte. Dann legte sich der Staub, und sie erkannte vor sich ein klaffendes Loch im Boden, wo herabfallende Steine vom Dach den Fußboden durchschlagen hatten. Sie kroch näher heran und achtete dabei genau darauf, wohin sie trat. Dann blickte sie über den Rand in das Loch. Mehrere Stockwerke unter ihr waren ebenfalls zusammengebrochen. Und tief unter ihr brodelte Wasser, schwarz und bedrohlich.
    Sie hob den Blick. Auf der anderen Seite des Lochs ging der Korridor weiter, und dort entdeckte sie auch die blaue Decke, von der Indaro gesprochen hatte. Sie musste dort entlang. Aus einer Wand ragte noch ein Mauervorsprung hervor. Sie konnte darauf gehen, denn er war ziemlich breit. Gerade hatte sie sich entschlossen, als eine bereits schief stehende Säule auf der gegenüberliegenden Seite des Loches ins Wanken kam, vollends zusammenbrach und dabei große Teile des Dachs mit sich riss. Emly kauerte sich hin, schlug die Hände über den Kopf und fürchtete schon, dass auch der Rest des Dachs noch nachgab. Dann hörte sie, wie die Trümmer mit lautem Getöse und Platschen unten im Wasser landeten.
    Als sich der Staub wieder gelegt hatte, stand sie auf und ging weiter, tastete sich mit jedem Schritt vorsichtig weiter. Sie bahnte sich den Weg zum Mauervorsprung, prüfte jeden Tritt, hielt sich an kleinen Kanten und Nischen in der Mauer fest und wagte es kaum zu atmen. Einmal warf sie einen kurzen Blick ins Loch hinunter und sah dort unten im Wasser fahle Leichen schwimmen. Als sie festeren Boden unter den Füßen hatte, ging sie schneller und sprang schließlich von dem Mauerabsatz auf den Marmorfußboden des Korridors.
    Sie beeilte sich, öffnete jede Tür, an der sie vorbeikam. Viele waren geschnitzt. Sie suchte nach dem Brunnen, den Indaro erwähnt hatte, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Vielleicht war er beim Einsturz des Dachs zerstört worden. Dann sah sie ihn. Sie hatte einen großen Brunnen erwartet, wie auf einem öffentlichen Platz. Aber hier gab es natürlich nur einen kleinen Trinkbrunnen, der in die Wand eingelassen war und über dem drei steinerne Delfine zu springen schienen. Sie sah sich aufgeregt um. Ganz in der Nähe befanden sich mehrere geschnitzte Türen. Sie rannte zur ersten und stieß sie auf. Das Holz knirschte, als die Tür über Staub und Schutt kratzte, und Emly warf einen Blick in den Raum.
    » Elija«, flüsterte sie. » Elija!«, wiederholte sie lauter.
    Es war ein Schlafgemach. Die Möbel waren mit gespenstischen weißen Laken zugehängt, und auf dem Boden lag dicker Staub. Ihre Stimme hallte von den Wänden zurück. Hier war seit Jahren niemand gewesen. Sie rannte zum nächsten Raum. Dann zum nächsten und blickte dabei durch den Korridor zurück. Der Springbrunnen war fast nicht mehr zu sehen. Was hatte Indaro gesagt? Der Raum war auf der rechten Seite? Rechts von ihr aus gesehen? Emly lief zurück zum Brunnen, dann weiter zu einem geschnitzten Paar Türen, das tief in einer dunklen Nische lag. Sie stieß die Türen auf. Sie bewegten sich lautlos. Der Anblick, der sie erwartete, ähnelte dem Stillleben eines Gemetzels, und ihr Herz setzte einen Schlag aus.

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