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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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Über Fußboden und blutverschmierte Möbel lagen verstreut die Leichen bewaffneter Männer. Die Luft war gesättigt vom Gestank nach Blut und Exkrementen. Emly presste die Hand auf den Mund. Sie ahnte, dass sie den richtigen Ort gefunden hatte. Aber konnte hier noch irgendjemand am Leben sein?
    » Elija?«, flüsterte sie.
    Sie hörte ein Stöhnen, links von ihr. Sie zuckte zusammen, als sie sah, wie sich ein Arm in einer Rüstung bewegte. Sie wagte kaum zu atmen, aber sie zwang sich, dort hinzugehen. Sie fand einen sterbenden Krieger, dessen halber Kopf zu Brei geschlagen worden war, der aber immer noch lebte, sich immer noch regte. Sie wich zurück, löste ihren Blick von dem leidenden Mann.
    » Elija!«, rief sie.
    Verzweifelt schaute sie im Raum umher. Die meisten Leichen lagen auf einer Seite. In derselben Ecke lag auch ein umgestürzter Tisch. Sie ging dorthin, umrundete nervös Tote, über die sie nicht hinwegsteigen mochte, weil sie Angst hatte, einer könnte zum Leben erwachen und nach ihr greifen.
    Sie schaute vorsichtig über die Tischkante. In der Ecke erkannte sie die Gestalt eines jüngeren Mannes. Er trug keine Rüstung, war groß und sehr schlank und zerbrechlich, und hielt einen Arm mit der Hand des anderen umfasst. Der Kopf mit dem dunklen Haar war ihm auf die Brust gesunken. Wie ein Soldat sah er nicht aus. War er tot, oder schlief er nur? Sie umrundete den Tisch, dann kniete sie nieder und blickte in das verschmierte, schmutzige Gesicht. Aber sie erkannte es nicht. Sie seufzte, stand auf, sah sich um und wusste nicht, wo sie als Nächstes suchen sollte.
    Bei dem Geräusch regte sich der Mann, als wollte er im Schlaf die Lage verändern. Er umklammerte seinen Arm und stöhnte leise. Emlys Herz machte einen Satz.
    » Elija?«, fragte sie zögernd. Sie streckte die Hand aus und berührte seine gesunde Schulter. » Elija?«
    Er öffnete die Augen. Einen Augenblick lang flackerte Furcht über sein Gesicht, als er zu ihr aufblickte. In diesem Moment erkannte sie ihn. Eine Woge Glücks schien über sie hinwegzuspülen, sie kniete sich neben ihn und versuchte, ihn in die Arme zu nehmen, ihn ganz nah bei sich zu halten und zu trösten.
    » Emly?« Er sah sie ungläubig an. Dann wurde die Vermutung zur Gewissheit, und ihr Bruder brach in Tränen aus.
    Das Schlachtfeld schien endlos zu sein. Es war alt, uralt. Die Abertausenden Leichen darauf waren nur noch vertrocknete Hüllen, verstaubt vom Alter, ihr Leiden gedämpft und gelindert von den Jahren, von Wind und Regen. Es gab keine Farben, weil das Blut schon längst getrocknet und fortgeweht war. Selbst die Insekten, die Käfer, die Fliegen und ihre Larven hatten sich satt gefressen und waren schon vor Jahrhunderten wieder verschwunden.
    Das einzige Geräusch stammte vom lauen Südwind, der durch die Knochen eines Brustkorbs strich, einen trockenen Kleiderfetzen flattern ließ und Sand über eine verrostete Metallplatte schmirgelte. Und von Schritten, die im Sand knirschten. Ihre Stiefel waren schon alt gewesen, als sie sie zum ersten Mal anprobiert hatte. Lange würde sie sie nicht mehr benutzen können. Sie beobachtete mit gesenktem Kopf, wie sie abwechselnd in ihr Blickfeld kamen und wieder daraus verschwanden. Links, rechts, links, rechts. Auf jeder Stiefelspitze hatte es einmal eine eingeprägte Form gegeben – eine Schlange und einen Skorpion. Wo waren sie geblieben? Dann fiel ihr ein, dass es ja gar nicht ihre eigenen Stiefel waren. Sie hatten irgendeiner namenlosen Frau gehört, deren Leichnam, zerfetzt von den Waffen in den Händen von Männern, später Tieren als Nahrung und Behausung gedient hatte. Nur die Stiefel waren unversehrt geblieben, ihre Kappen vom Sand glatt geschliffen. Indaro hatte sie der Toten mühsam ausgezogen, sie ausgeklopft und den riesigen Tausendfüßler zertreten, der sich aus einem von ihnen herausgeschlängelt hatte. Sie hatten ganz gut gepasst.
    Sie hatte einen weiten Weg darin zurückgelegt.
    Dann merkte sie, dass jemand an ihrer Seite ging. Sie fürchtete, es könnte Maccus Odarin sein, und hatte den Kopf abgewendet, weil sie nicht sehen wollte, wie er auf seinem verfaulten Bein neben ihr humpelte und auch nicht, wie er aufs Neue starb.
    » Wohin gehen wir?«, fragte ihr Begleiter aufmunternd.
    Erleichtert registrierte sie, dass es nicht Maccus war. Sie drehte sich um.
    » Wohin gehen wir?«, fragte Rubin. Sein Haar war länger, als sie es in Erinnerung hatte, und sie war entsetzt, als sie sah, dass sich in seinem

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