Der Moloch: Roman (German Edition)
Herz raste. Bleib auf den Beinen, befahl er sich. Wenn du fällst, bist du tot. Rafael grinste, ließ seine Klinge durch die Luft zischen und rückte näher. Bartellus wusste, dass er nur mit ihm spielte. Er griff sich einen herumliegenden Schild und schob ihn sich über den Arm.
Rafael schüttelte den Kopf. » Du hättest in deinem Mauseloch bleiben sollen, alter Narr.«
Bartellus’ Klinge zuckte vor und traf seinen Widersacher seitlich am Kopf. Es war nur eine oberflächliche Wunde, aber Rafael war verärgert. Sein Gesicht verhärtete sich, und er griff jetzt mit mehr Entschlossenheit an. Bartellus parierte, blockte den Schlag mit der Kraft der Verzweiflung ab und ließ sich an den Rand des Absatzes drängen. Er ging unbeholfen rückwärts und taumelte vor dem hohen Sturz. Sein Körper ließ ihn im Stich, aber sein Verstand arbeitete noch. Er ließ zu, dass sein Kopf herabsank. Rafael stürmte vorwärts. Bartellus taumelte ihm entgegen. Und genau wie er erwartet hatte, rammte ihm Rafael mit aller Kraft das Schwert in den Leib. Bartellus warf sich jedoch förmlich in den Stoß hinein. Er ignorierte den unerträglichen, tödlichen Schmerz, während er seine eigene Klinge unter Rafaels Kinn rammte und sie ihm in die Kehle bohrte. Die Augen seines Widersachers weiteten sich vor Schreck, und er sank zu Boden, während das Blut aus seiner Kehle strömte. Bartellus blieb noch einen Moment stehen und presste die Hand auf die tödliche Wunde in seinem Bauch, aus dem das Blut heraussprudelte. In der Halle war es totenstill. Sein Herzschlag und sein keuchender Atem waren die einzigen Geräusche, die er noch hören konnte. Bartellus hatte plötzlich alle Zeit der Welt. Er dachte an Emly und hoffte, dass sie ihren Bruder gefunden hatte. Dann trug ihn seine Erinnerung zurück in den Garten, zu den beiden winkenden Knaben im Sonnenlicht.
Er stolperte rückwärts von der Treppe und schlug tief unten auf dem Steinboden auf.
47
Indaro kam näher. Rafael Vincerus war nicht tot, obwohl das Blut aus seiner Kehle strömte. Er kauerte auf der Plattform und hielt sich die Hand an die Kehle, um den Blutstrom aufzuhalten. Als die Frau einen Schritt näher kam, schaute er zu ihr hoch. Sie erwiderte seinen Blick. Lasst sie nicht in eure Augen schauen, hatte Maron sie beschworen. Aber das schien nichts zu nützen, weil ihr Verstand träge wurde und sich ihre Beine anfühlten, als lägen sie in Ketten.
Er war nur sieben Schritte entfernt, und Indaro starrte auf ihre Füße. Mit aller Willenskraft zwang sie sich weiterzugehen. Einen Schritt. Noch einen. Sie riskierte einen weiteren Blick. Er hatte sich nicht bewegt, und immer noch strömte Blut aus seiner Kehle. Er musste doch schwächer werden. Sie betete zu Aduara, dass dieser Mann, dieses Stück Fleisch, sein ganzes Blut der Göttin opfern würde. Ihr Schädel dröhnte, als wollte er platzen, und es fiel ihr schwer, bei Bewusstsein zu bleiben. Drei Schritte. Vier. Sie hob ihr Schwert.
Sie schaute wieder zu ihrem Feind. Unglaublich – er stand, das eigene Schwert erhoben.
Sie dachte an Staker und Garret, an all die Frauen und Männer, die bei den heutigen Kämpfen auf beiden Seiten gefallen waren. Sie dachte an Bartellus, der mit gebrochenen Knochen unten auf dem Hallenboden lag. Und sie dachte an Fell. Mich wird dieses Wesen nicht besiegen, dachte sie.
Sie hob die Rechte, in der sie das Schwert hielt, und Rafael schlug es fast lässig zur Seite. Im selben Moment rammte sie ihm das Messer, das sie in ihrer Linken verborgen hatte, durch das Auge ins Hirn.
In dem Turm hoch über ihr gingen Fell und Marcellus zum östlichen Teil des Schanzwerks. Fell hielt das Gesicht in die Sonne und genoss ihre reinigende Wärme. Sein Verstand war klar. Marcellus hielt ihn nicht mehr in seinem Bann. Sie standen da wie alte Freunde.
Aber Fell wollte das alles erst verstehen. » Wer ist der Mann, den ich in der Halle der Kaiser getroffen habe?«, fragte er.
» Das ist Araeon, den du den Unsterblichen nennst. Der Kaiser.«
» Und wer ist die Kreatur da unten im Dunkeln?«
» Das ist auch der Kaiser.«
» Kann er seine Erscheinung einfach so ändern?«
Marcellus schüttelte den Kopf. » Bei dir klingt es wie der Taschenspielertrick eines Zauberers. Er bindet sich keinen falschen Bart um. Aber er kann uns in unterschiedlicher Gestalt erscheinen, ja.«
» Kannst du das auch?«
» Nein, das ist Araeon vorbehalten. Und er kann … Abbilder von sich selbst erschaffen. Wir alle können das. Doch dazu
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