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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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begann, Taktiken abzuwägen und Fluchtwege zu suchen. Sein Blick glitt über die Anwesenden, suchte Freunde. Er sah die Vinceri – Marcellus, den Ersten Lord der Cité, und seinen Bruder Rafael –, die Generäle Boaz und Flavius Randell Kerr, die beide nicht einmal versuchten, ihre Befriedigung zu verbergen. Hier konnte er keine Hilfe erwarten.
    » Hast du nichts zu sagen, Soldat?«
    Ich werde nicht anfangen zu handeln, dachte Shuskara. Sie versuchen immer, sich zu verteidigen, und ihre Worte klingen immer, als würden sie um ihr Leben flehen. Und nie ändert es auch nur das Geringste.
    » Du hast meine Loyalität und wirst sie immer haben, Herr.«
    Der Kaiser sah ihn lange an. » Loyalität ist ein überaus launisches Vieh«, erwiderte er schließlich nachdenklich. » Die Menschen reden von Loyalität, als wäre sie eine Konstante, ebenso massiv wie diese Statue da«, er deutete nachlässig auf etwas hinter Shuskara, » und ebenso verlässlich wie der Sonnenaufgang. Dann jedoch finden wir heraus, dass Loyalität auch etwas vollkommen anderes bedeuten kann; sie ist abhängig von sich verändernden Bedingungen, vielleicht sogar vom Lauf der Jahreszeiten. Sie kann Kompromisse bedeuten, Zugeständnisse einlenken. Erstaunlicherweise«, fuhr er fort, während seine Stimme ernst und ganz und gar nicht erstaunt klang, » kann sie auch Verrat bedeuten.«
    Verrat? Als Shuskaras Welt zerbrach, galten seine ersten gequälten Gedanken seiner Familie. Er musste sich zwingen, die Worte auszusprechen. » Du hast meine ganze Loyalität und wirst sie immer haben, Herr.«
    Er hämmerte sich diese Worte ins Hirn, fest entschlossen, dass dies die einzigen Worte sein würden, die er an diesem Tag sprechen würde und an den brutalen, schmerzerfüllten Tagen, die noch kommen würden, wenn die Inquisitoren des Kaisers versuchten, ihm Informationen zu entreißen, über die er nicht verfügte, über Ereignisse, von denen er nichts wusste.
    Er war an Schmerz gewöhnt. Als Soldat hatte er die Qualen großer und kleiner Wunden ertragen, und er hatte ungerührt die Folter an anderen Menschen mitangesehen. Mit Schmerz konnte er umgehen. Was er jedoch nicht ertrug, was seine Stärke und Würde schneller durchwühlte, als er für möglich gehalten hätte, war die andauernde Folter durch Durst, Hunger und Schlaflosigkeit. Man gab ihm nur kleine Schlucke Wasser, gerade genug, um ihn am Leben zu halten. Nach ein paar Tagen leckte er die feuchten Wände seiner Zelle ab wie ein Hund. Er biss sich auf die Lippen, damit Blut floss. Wenn die Folterer kamen, war es fast eine Erleichterung, denn der Schmerz, den sie ihm zufügten, lenkte seinen Verstand von seinem Durst ab. Er hatte das Gefühl, als würde er, sobald er eingeschlafen war, immer geweckt, um zur Folterung geschleppt zu werden, also weigerte sich sein Geist nach einer Weile, überhaupt zur Ruhe zu kommen. Er spürte, wie er allmählich den Verstand verlor, wie er abglitt, unter dem gnadenlosen Schrecken zerbrach, und sich Risse zeigten, an denen die Folterer mit ihren Werkzeugen ansetzen konnten. Nach nur wenigen Tagen begann er, um Gnade zu flehen. Die gleichgültigen Folterer sahen zu, wie er weinte und flehte, und nutzten ihre lange Erfahrung, um kleine Körnchen von nützlichen Fakten aus dem gewaltigen Berg aus Informationen zu waschen, den er versuchte, ihnen zu liefern. Er wusste nicht, was sie wollten, aber hätte er es gewusst, hätte er es ihnen augenblicklich verraten.
    Die grauenvollen Tage krochen langsam dahin, und er wurde erneut vor den Kaiser geführt. Diesmal wartete Araeon nicht in seinem Thronsaal, sondern in einem kleineren Salon. Shuskara war am ganzen Körper zerschunden, schmutzig und wurde von zwei großen, gleichgültigen Soldaten auf seinen zitternden Beinen gehalten, während er auf dem prachtvollen, dicken Teppich stand. Er sah zu, wie der Kaiser Wasser aus einem Kelch trank, wobei kühle Tropfen herausspritzten und über seine Brust liefen.
    » Wir haben über Loyalität gesprochen, Soldat«, sagte Araeon liebenswürdig.
    Shuskara erinnerte sich an das Versprechen, dass er sich gegeben und dass er längst gebrochen hatte. » Du hast meine Loyalität«, krächzte er, » und wirst sie immer haben, Herr.«
    Der Kaiser nahm eine schwarze Pflaume, auf der der Tau noch glänzte, und biss hinein. Saft spritzte heraus und auf seine Brust. Ein Diener sprang vor und tupfte die Spritzer mit einem blendend weißen Tuch ab.
    » Warum reden Verräter immer von Loyalität?«,

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