Der Moloch: Roman (German Edition)
Schlacht in ihm entzündete, in der Brust. Er spürte, wie neue Kraft ihn durchströmte. Dann schien die Zeit langsamer zu verstreichen. Er fühlte den Griff des Dolches, der vertraut in seiner Handfläche lag, den Steinboden unter seinen nackten Füßen, die Stärke seiner Schultern und Beine, als er den anderen umkreiste, ausbalanciert und bereit.
Der Bärtige sprang auf ihn zu und stieß mit dem Schwert nach Bartellus’ Kehle. Er war so langsam, dass der alte Soldat beinahe aufgelacht hätte. Er hatte alle Zeit der Welt auszuweichen, alle Zeit des Universums, seinen Stoß zu überlegen und ihm den Dolch genau in die Achselhöhle zu rammen, bis ins Herz.
Der Mann stürzte zu Boden und war so still, wie es nur ein Toter sein kann. Bartellus hob die Fackel auf und klemmte sie in einen Spalt im Stein.
» Emly!«, rief er, während alle Kraft von ihm wich und dem vertrauten Gefühl von Furcht Platz machte. Ihm antwortete nur Schweigen, und es fiel ihm schwer, durch den Schmerz in seiner Brust zu atmen. Er sah sich um. Ysold war verschwunden, vielleicht in den Kanal gefallen. Bartellus seufzte, und sein Herz krampfte sich vor Bedauern zusammen.
Dann jedoch vergaß er seinen Schmerz, als das kleine Mädchen aus der Dunkelheit auf ihn zugelaufen kam. Emly lief direkt zu ihm, prallte gegen ihn, und er bückte sich und hob sie in seine Arme. Er drückte sie an sich, während Erleichterung ihn durchströmte. Plötzlich fühlte er sich schwach und lehnte sich gegen die Wand des Tunnels, das Mädchen immer noch in den Armen.
» Geht es dir gut?«, fragte er sie. » Du bist nicht verletzt?« Sie starrte ihn an, und er wiederholte die Frage. » Du bist nicht verletzt?« Sie schüttelte beruhigend den Kopf. Nach einer Weile setzte er sie auf dem Boden ab und ging zu dem halb bewusstlosen Jüngling. Er blieb neben ihm sitzen, lange, bis er starb.
Er dachte an diesen sonnigen Tag zurück, als er zum letzten Mal von zu Hause aufgebrochen war. Die beiden Männer waren entspannt geritten, jedenfalls hatte es so gewirkt, und hatten sich gelegentlich unterhalten. Astinor Rotfall hatte irgendwie bedrückt gewirkt, jedenfalls glaubte das Bartellus jetzt, mit jener unsicheren Klarheit der Rückschau. Was hatte sein alter Kamerad sich wohl gedacht, als er ihn ahnungslos zu seinem Prozess führte?
Das Haus des Generals lag in den westlichen Außenbezirken der Cité, in den Ackergründen. Der größte Teil des Landes, durch das sie ritten, gehörte ihm. Wem gehört das Land jetzt?, fragte er sich in der Dunkelheit. Meinem alten Freund, als Lohn für seinen Verrat? Noch während er das dachte, konnte er es nicht glauben, trotz allem, was geschehen war.
Sie hatten fast den ganzen Tag gebraucht, um den Palast zu erreichen, waren durch das geschäftige Burman Fehrn geritten, hatten die Schleichwege von Lindo genommen, das wohlhabende Otaro durchquert und waren schließlich auf dem Palastgelände angekommen. Besonders eilig hatten sie es nicht gehabt, und selbst jetzt stellte er sich noch gerne vor, dass sein Freund gezögert hatte, ihn allzu schnell seinem Schicksal zu überantworten. Als sie schließlich auf die breite Prachtstraße geritten waren, die Clarion, hatte er kurz innegehalten, wie immer, und zum Palast hinaufgeblickt. Das erste Mal hatte er ihn als Kind gesehen, aber die Schönheit dieses Gebäudes flößte ihm immer noch Ehrfurcht ein. Der Palast des Kaisers war aus einem rosaroten Stein erbaut, dessen Herkunft mittlerweile vergessen war, und übertraf jede Vorstellungskraft. Die Menschen stritten darüber, wie viele Türme und Türmchen er aufwies. Es gab keine eindeutige Antwort. Natürlich konnte man um den Palast herumgehen und sie zählen, aber damit hätte man nur die Zahl der Türme aufgelistet, die von außen zu sehen waren. Im Palast selbst blickte man aus jedem Fenster auf ein Minarett, jeder Innenhof war von Türmen umringt, und über jede schmale Treppe erklomm man einen weiteren Turm. Es gab keinen Bauplan, jedenfalls keinen, von dem man gewusst hätte. Und der Versuch, einen zu erstellen, hätte zweifellos jeden in den Wahnsinn getrieben. Man hatte ihm gesagt, es gäbe siebenundsechzig Kuppeln. Er sah keinen Grund, dies anzuzweifeln. Mathematische Finessen interessierten ihn nicht. Der Kaiser verfügte über Scharen von Mathematikern und Philosophen, Astronomen und Wahrsagern. Auf ihre Art waren sie alle Gelehrte. Sie konnten über die Harmonie der Sterne sprechen, die Bewegungen der Planeten, die Weisheit der
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