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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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beschützt, während er jene beiden Kinder nicht hatte beschützen können. Er sah sie an. Emly saß mit dem Rücken an einer Felswand, spielte mit den Tieren an dem Schleier, den sie immer trug. Die neuen Kleider, die sie bekommen hatte, waren bereits wieder schmutzig, die Hose zerlumpt und ausgefranst.
    Der alte Mann überlegte langsam und traf dann eine schicksalhafte Entscheidung. Ich werde aufhören, wegzulaufen und mich zu verstecken. Ich werde in die Welt zurückkehren, zum Guten oder zum Schlechten, und ich werde das Kind mitnehmen. Ich werde meine Feinde aufspüren und sie töten.
    Er dachte an Fell, den Kameraden, der ihn nie im Stich gelassen hatte. Er lächelte bei der Erinnerung. Fell war der beste Krieger, den er jemals kennengelernt hatte. Er konnte selbst den Unsterblichen töten. Und doch war er von Schuld zerfressen, belastet durch seinen Wunsch, den Unrettbaren zu retten. Ich werde ihn suchen, herausfinden, ob er noch lebt. Und dann, blitzartig, erinnerte sich Bartellus daran, wo er das s-förmige Brandmal schon einmal gesehen hatte.
    Die Entschlossenheit verlieh ihm Kraft, und er stand auf. » Emly«, sagte er, und das Mädchen sprang auf.
    Bartellus hatte keine Ahnung, was er mit den drei Leichen anfangen sollte. Er brachte es nicht über sich, sie in den Abwasserkanal zu rollen, also ließ er sie dort liegen, wo sie waren, zwei junge Frauen und einen Jüngling, die in der Dunkelheit Hunderte von Metern unter einer gleichgültigen Cité lagen. Er sprach ein paar Worte zu den Göttern von Eis und Feuer, den Göttern der Soldaten, bat darum, man möge sie als Krieger im Garten der Steine aufnehmen. Allerdings setzte er nur wenig Hoffnung in sein Gebet. Seit der Zeit als Soldat war er überzeugt, dass die lasterhaften und grausamen Götter kein Mitgefühl kannten.
    Dann nahm er die Fackel wieder auf, nahm Emlys Hand und machte sich auf den Rückweg durch die Tunnel zum Gierwehr. Die Strecke war relativ gerade und er brauchte die Hilfe des kleinen Mädchens nicht dafür.
    Als er und das Mädchen das Wehr erreichten, hob er Emly hoch und nahm sie zu ihrer Überraschung in seine Arme. Dann stieg er die tückische Wendeltreppe hinauf bis zur Spitze und überquerte das Wehr vorsichtiger als je zuvor. Ganz oben blieb er einen Augenblick stehen und blickte hinab in den Mechanismus. Jetzt waren dort nur noch neunzehn Walzen, und die Lücke darin fiel auf wie ein fehlender Vorderzahn. Von ganz oben konnte er die großen Stücke Müll sehen, Zweige, Kisten und formlose Gebilde, die tote Hunde, leere Säcke oder weggeworfene Kleidung sein konnten. Sie quollen durch das Wehr. Auf der anderen Seite stieg er wieder hinab und ging weiter, vorüber an dem Punkt, ab dem sie wieder hören und miteinander reden konnten, und auch vorbei an der Abzweigung, die zur Halle des Blauen Lichts führte. Schließlich setzte er das Mädchen wieder ab. Er sah es an, und Emly zog an seiner Hand, weil sie dachte, er hätte sich verirrt.
    Er hockte sich hin und legte ihr die Hände auf die schmächtigen Schultern. Ihre Knochen wirkten wie kleine Hühnerbeinchen, die man leicht hätte brechen können.
    » Du weißt, Emly, dass wir deinen Bruder wahrscheinlich nie wieder finden werden?«
    Ihre Mundwinkel sanken herab, und ihr Gesicht verzog sich bei seinen barschen Worten zu einem stummen Weinen.
    » Ich habe mich geirrt«, fuhr Bartellus rücksichtslos fort. » Ich habe dir gesagt, wir würden ihn finden. Aber das war, bevor wir von der Halle der Wächter zurückgekehrt sind, und bevor ich erkannt habe, wie tief und breit und komplex die Hallen sind. Wir könnten hier unten jahrelang nach ihm suchen. Aber das können wir nicht. Du brauchst Sicherheit, Licht und gutes Wasser, einen warmen Ort. All das kann ich dir hier unten nicht geben.«
    Sie weinte lautlos, und ihr zierlicher Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Er drückte sie erneut an die Brust und hielt sie eine Weile fest. Dann schob er sie von sich weg und blickte auf ihr bedrücktes Gesicht. » Jeder Tag, den wir hierbleiben, bringt uns in Lebensgefahr. Ich kam hierher, um dem Elend der Welt des Tageslichts zu entkommen, so wie vermutlich auch du und Elija es getan habt. Ich dachte, die Welt hätte mir nichts mehr zu bieten, hätte nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Aber jetzt habe ich dich. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder einen Freund haben würde, dem ich vertrauen könnte. Aber ich vertraue dir, Emly. Ich glaube, du bist der tapferste Mensch,

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