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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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der Schweiß über den Körper. Schon bald würde es so heiß sein, dass Soldaten zu Hunderten an Durst und Hitzschlag starben.
    » Indaro!«
    Sie sah hoch und bemerkte, dass sie sich von ihrer Kompanie entfernt hatte. Ein Offizier kam zu ihr.
    » Bist du verwundet?«
    Sie erinnerte sich an die Verletzung an ihrer Seite und entledigte sich mühsam ihrer Rüstung. Sie zog das Wams zurück. Der Offizier betrachtete die Fleischwunde. » Glück gehabt«, sagte er. » Lass das sofort nähen.«
    Er deutete auf das Feldlazarett, aber sobald er ihr den Rücken zugekehrt hatte, setzte sie sich in den Staub. Die Wunde blutete, aber nicht besonders schlimm, und sie hatte keinerlei Verlangen, sich unter die Schwerverletzten zu mischen, deren Stöhnen und Schreie über die Ebene hallten, während die Feldscher ihrer blutigen Arbeit nachgingen.
    Die Zeit verstrich, während sie dasaß, und dann hockte plötzlich Doon vor ihr und reichte ihr einen Krug mit Wasser. » Geht es dir gut?«
    » Ich lasse die Wunde nähen, wenn der erste Ansturm vorbei ist.« Indaro trank die Hälfte des Wassers, legte sich dann mit dem Rücken in den Staub und seufzte. » Ich bin müde«, erklärte sie.
    Sie spürte, wie Doon ihr das Schwert aus der Hand nahm. Es schien an ihrer Haut festgeschweißt zu sein, klebrig von Blut. Sie hörte, wie Doon das Schwert in die Scheide schob. Dann zog sie ihr den Harnisch aus, und als der Druck von Indaros Brust genommen wurde, holte sie gierig Luft. Sie war blutverschmiert und erschöpft. Doon hob sanft ihren Kopf an und legte ihr etwas Weiches darunter.
    Dann döste Indaro ein, und die fernen Schreie der Verwundeten wurden zu den kreischenden Schreien von Seevögeln, als sie von ihrem Zuhause träumte.
    Zuhause war ein Heim aus grauem Stein auf steilen grauen Klippen, ein Ort, über dem die Möwen kreisten und in der Sonne schrien.
    » Halte dich von den Klippen fern«, sagten sie ihr immer. » Geh nicht zu nah an den Rand.«
    Aber sie war erst drei Jahre alt und hatte keine Ahnung, was Klippen waren. Also lief sie zum Rand und sah zu, wie die großen weißen Vögel am blauen Himmel schwebten. Sie ahmte sie nach, schlug mit den Armen und sprang im Gras herum. Als sie hinabblickte, konnte sie nicht verstehen, was sie sah. Es gab kein Land mehr, nichts vor ihren Zehen außer weißem Schaum, sehr weit weg, tief unter ihr.
    » Daro, beweg dich nicht! Bleib ganz ruhig stehen, Kleines!«
    Als sie die Stimme ihres Vaters hörte, wirbelte sie so schnell herum, dass sie beinahe umgekippt wäre. Im nächsten Moment packten zwei harte Hände sie so fest, dass es wehtat, und warme Tränen fielen auf ihr Gesicht.
    Indaro bewegte sich im Schlaf und versuchte, sich auf die Seite zu drehen. Der Schmerz in ihrer Seite weckte sie auf, sie drehte sich auf den Rücken und starrte in den dunkler werdenden Himmel.
    Danach bekam das kleine Mädchen Hausarrest in dem grauen Haus mit seinen gepflegten Gärten, den wunderschönen Blumen und den sauberen Wegen. Als sie Jahre später wieder zum Rand der Klippen ging und hinab auf die Brandung weit unter ihr blickte, linderten die Schreie der Möwen den Schmerz in ihrem Herzen. Ihre Mutter war in dieser Nacht gestorben. Ihr Vater saß an seinem Schreibtisch und starrte die Wand an, ohne etwas zu sehen. An diesem Tag war Indaro sechzehn geworden, und ein neues Leben begann.
    Das graue Haus lag weit oberhalb der Cité, Richtung Westen. Den größten Teil ihres noch jungen Lebens hatte Indaro nichts von der Cité gehört, und wenn doch, hatte sie keine Ahnung, dass sie ein Teil davon war, dass sie dazugehörte.
    Aber an ihrem sechzehnten Geburtstag kamen zwei Soldaten zu ihrem Haus und holten sie weg, vorbei an den stummen Wachen und den Dienern, die nur zusahen, während ihre Mutter auf ihrem Totenbett lag und ihr Vater hilflos vor Trauer daneben hockte. Indaro wurde in ein Ausbildungslager im Süden gebracht, wo sie zwanzig Tage blieb. Man brachte ihr bei, wie sie Blauhäute töten konnte, dann wurde sie in die alte Uniform eines toten Kriegers gesteckt. Man gab ihr ein altes Schwert und schickte sie auf die trostlose Ebene von Araz, um dort eine Schlacht zu schlagen. Diese Schlacht sollte später als der Rückzug von Araz bekannt werden, ein Tiefpunkt in der Geschichte der Cité und eine Schande für all jene, die sie überlebt hatten.
    Als sie zehn Jahre alt war und man ihr noch alles gab, was sie sich wünschte, hatte man Indaro einem Fechtmeister vorgestellt, einem dünnen, ältlichen Mann

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