Der Moloch: Roman (German Edition)
fielen.
» Indaro kann es mit jedem Schwertkämpfer aufnehmen«, gab Doon, loyal wie immer, zurück.
» Du hast ihn nicht gesehen«, konterte der blonde Garret. Doon warf ihm ebenfalls einen bösen Blick zu.
» Geht es dir gut, Rotschopf?« Broglanh drehte den Kopf und sah Indaro scharf an.
Sie nickte kurz. Sie hasste es, wenn man sie Rotschopf nannte, aber Evan war der Einzige, dem sie diese Unhöflichkeit erlaubte. Auch wenn er ziemlich anstrengend sein konnte, machte Broglanh allen Mut, wohin er auch ging. Heute sah sie die tiefen Schatten unter seinen hellen Augen, und sie nahm den Ruch der Niederlage an ihm wahr. Sie griff sich ein Stück Brot und kaute darauf herum. Der Fisch roch auch ziemlich übel.
» Hast du den alten Bärentatze gesehen?«, fragte Broglanh in die Runde. » Er hat mit seinem verfluchten gefährlichen Schwert zwei Feinde auf einen Streich erledigt. Mit einem Schlag hat er beiden den Kopf abgetrennt.« Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle und lachte, ein scharfes, humorloses Lachen.
» Ich habe es gesehen«, antwortete Indaro. Bärentatzes Breitschwert war einen halben Fuß länger, als die Vorschrift es verlangte, und er schliff es jede Nacht gewissenhaft, bis es rasiermesserscharf war. Es ging die Legende in der Kompanie um, dass er damit mehr Freunde als Feinde getötet hatte.
» Hat er es zurückgeschafft?«, erkundigte sich Doon.
Broglanh schniefte. » Natürlich hat er das. Seinen Tod würden die Blauen bestimmt gerne sehen. Ich vermute, dass sie ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt haben.«
» Er ist eine Bedrohung.« Indaro hatte gesehen, wie der Veteran in einem Getümmel gestürzt war, bevor er sich wieder erhoben hatte. Er hatte sein Breitschwert geschwungen, und die Krieger der Cité und die der Blauhäute hatten sich gleichermaßen vor seinen Schlägen geduckt. » Er muss verwundet sein.«
Broglanh zuckte mit den Schultern. So wie sie über ihre eigenen Verletzungen spotteten, so spielten sie die der anderen herunter. Aber wie schlimm der Tag auch gelaufen war, wie entsetzlich das Gemetzel auch gewesen sein mochte, niemals wurde von den Toten gesprochen, sondern nur von jenen, die überlebt hatten. Indaro hatte gesehen, wie zwei Krieger, mit denen sie das ganze Jahr über gekämpft hatte, gefallen waren und mindestens sechs schwer verwundet worden waren. Aber niemand sprach von ihnen, sondern nur vom alten Bärentatze, der wieder aufgestanden war, um einen weiteren Tag zu kämpfen.
» Angeblich kommen in zwei Tagen neue Rekruten«, meinte schließlich Garret, der immer sehr gut informiert war.
Ein Stöhnen lief um den Tisch. Das war die gefährlichste Zeit für sie alle, wenn man die unerfahrenen Rekruten frisch aus dem Trainingslager an die Front warf. Sie waren entweder so verängstigt, dass sie wie gelähmt herumstanden und nutzlos waren, oder so voll unangemessenem Eifer, dass sie mit ihrem verrückten Verhalten alle anderen ebenfalls in Gefahr brachten.
» Wir waren alle mal Rekruten«, meinte Garret beschwichtigend.
Broglanh schnaubte verächtlich. » Ich nicht«, murmelte er in seinen Teller. » Ich bin schon als Veteran zur Welt gekommen.«
Alle am Tisch nickten. Indaro starrte auf ihr Essen. Für alle anderen war es schwer, sich an eine Zeit zu erinnern, als sie noch nicht gekämpft hatten. Aber nach dem Rückzug von Araz war Indaro fünf Jahre lang den Schlachten entkommen. Sie war kriegsversehrt zu Hause gewesen, dann hatte der Einfluss ihres Vaters sie ein Jahr lang in der Verwaltung gehalten, wo sie andere Soldaten an die Front geschickt hatte. Dann war sie untergetaucht und hatte drei Jahre lang im Untergrund gelebt, was sie schließlich unter die Erde geführt hatte – in die Kanalisation. Sie war eine Deserteurin gewesen, obwohl sie niemals an dieses Wort gedacht hatte, damals nicht und heute auch nicht. Stattdessen hatte sie sich eingeredet, dass sie wertvolle Arbeit leistete und dass es eine Verschwendung ihrer Talente wäre, wenn sie ihr Leben im Gemetzel einer Schlacht verlöre, dass es eine Vergeudung für die Cité wäre.
Dann hatte sie den alten Bartellus in der Halle der Wächter getroffen. Und sie hatte den Blick in seinen Augen gesehen, etwas zwischen Verachtung und, was noch härter war, Mitleid. Nach nur wenigen Wochen war sie aus den Trümmern aufgetaucht und hatte sich der Maritimen Armee angeschlossen, die damals in der Nähe ihres Hauses gekämpft hatte und die Küste am Kap Salient verteidigte. Das war vor acht Jahren gewesen
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