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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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beobachtete Indaro ihn verstohlen. Nach einem Augenblick wurde ihr klar, dass er sie unmöglich unter all den Hunderten von Soldaten wiedererkennen konnte, die er befehligte. Und selbst wenn, was machte es schon? Sie lehnte sich zurück und strich sich das dunkelrote Haar aus ihrem Gesicht. Als sie das tat, hob er den Kopf, als er sich gerade ein Stück Brot in den Mund schieben wollte, und hielt mitten in der Bewegung inne. Er sah sie an und nickte kurz, dann wandte er sich an ihre Dienerin. » Stimmt etwas nicht mit dem Fisch, Doon?«
    » Er stinkt, Ser.«
    » Her damit.« Er streckte seine Hand aus. Doon starrte ihn an wie eine Idiotin, dann riss sie sich zusammen und gab ihm schnell ihren Teller. Er roch daran und fluchte. » Garvy.« Er hatte seine Stimme kaum erhoben, aber Sekunden später tauchte sein Adjutant wie aus dem Nichts auf.
    » Nimm das.« Der Kommandeur gab ihm den Teller. » Wer ist für das Essen heute verantwortlich? Bazala?« Der Adjutant sah ihn ausdruckslos an; ganz offenbar hatte er nicht die geringste Ahnung. » Wer auch immer es ist, ich will ihn in meinem Zelt sehen, wenn ich zurückkomme. In Ketten.«
    Der Adjutant nickte, drehte sich um und trug den Teller mit Fisch vor sich her.
    Fell Aron Lee sah sich am Tisch um. » Ihr wisst, wer ich bin«, sagte er. Das war keine Frage. » Ich brauche Freiwillige.«
    Indaro hatte ihre ganze Jugend damit verbracht, einer unerträglichen Situation zu entkommen, nur um direkt in die nächste zu rennen. Sie war vor dem aktiven Dienst geflüchtet, um dem grauenvollen Entsetzen des täglichen Todes und der Verstümmelung zu entkommen. Sie hatte ihren Posten in der Verwaltung aufgegeben, weil sie an dem sinnlosen Papierkram verzweifelte, der die Armeen in ein Netz ohnmächtiger Unfähigkeit verstrickte. Und es war reine Selbstverachtung gewesen, die sie schließlich, wenn auch zögernd, dazu gebracht hatte, sich von Archange abzuwenden und in den Krieg zurückzukehren. Und jetzt ging sie einer neuen, unbekannten Herausforderung entgegen, einer neuen Prüfung.
    Sie hatten sich alle freiwillig für die Mission gemeldet, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatten, worum es sich handelte. Fell Aron Lee wollte zwei Soldaten. Er hatte Indaro und Broglanh ausgesucht. Er befahl ihr, Doon zurückzulassen, und als Indaro den Tisch mit dem Kommandeur verließ, hatte sie sich umgedreht und ihre Dienerin angelächelt. Doon jedoch hatte sie nu r an gestarrt, wohl hin- und hergerissen zwischen Neid und Sorge.
    Die beiden Soldaten folgten ihrem Kommandeur in die heraufziehende Abenddämmerung. Sie gingen an Lagerfeuern vorbei und an Reihen von schlafenden Soldaten, die wie dunkle Hügel auf der grauen, vom Mond beschienenen Erde aussahen. Es war schon spät, und es war ruhig im Lager. Man hörte weder Gejohle noch Gelächter, sondern nur gedämpftes Schnarchen und das hohe Jaulen einer fernen Maschinerie. Als Indaro ihrem Kommandeur durch die Dunkelheit folgte, fühlten sich ihre Beine nicht mehr an wie Blei. Die Wunde an ihrer Seite kümmerte sie nicht mehr. Stattdessen spürte sie, wie das Blut bei der Aussicht auf eine neue Herausforderung heiß durch ihre Adern raste. Selbst ein Selbstmordkommando wäre besser als ein weiterer Tag öden Gemetzels.
    » Du bist so still«, murmelte Broglanh.
    » Ich bin still?«, konterte sie gereizt. » Ich bin immer still. Du bist derjenige, der nie aufhört zu reden.«
    » Was glaubst du, erwartet uns?«
    » Warten wir ab und finden es heraus«, erwiderte sie, als wäre es ihr egal. Aber insgeheim malte sie sich bereits eine verdeckte Operation hinter feindlichen Linien aus, gekleidet in die Uniform der Blauen, den lautlosen Tod eines feindlichen Kommandeurs, das Lob des Kaisers und die Wiederherstellung ihres Rufs.
    » Sie wollen Spione«, spekulierte er.
    » Spione haben sie genug.« Sie lächelte. » Außerdem, wer würde dich schon zum Spion machen? Du kannst doch nichts für dich behalten.«
    Broglanh grinste.
    Als sie das Zelt ihres Kommandeurs erreichten, wies man sie an, draußen zu warten. Kurz darauf kam einer der Köche heraus. Es war nicht Bazala, und er war auch nicht in Ketten, aber sein Gesicht war so weiß, wie seine Schürze eigentlich hätte sein sollen. Er verschwand stolpernd in der Dunkelheit, flankiert von Wachen.
    Sie betraten das Zelt, und Indaro sah sich neugierig um. Eine schmale Pritsche. Eine Eichentruhe. Ein wackeliger Schreibtisch mit drei einfachen Stühlen. Kisten mit Papieren. Das Einzige, was

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