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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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sie auf einen mondbeschienenen Platz, wo ein weißer Tempel stand, der dem Gott der Tugend, Themistos, gewidmet war, dem Schutzheiligen der Philosophen. Von hier aus konnte sie den Schild wieder sehen. Es überraschte sie, dass sie ihm trotz ihres langen Spaziergangs nicht näher gekommen war. Die Luft muss sehr klar sein, dachte sie, und sie sog sie tief durch die Nase ein. Sie roch nach Blumen und frischem Brot. Von ihrem Standort aus konnte sie sehen, wie das Land sich zu einem schlammigen Fluss absenkte, der von drei Brücken überquert wurde. Auf dieser Seite des Flusses, nach Westen hinaus, mussten die Heime der Wohlhabenden sein, während der Schild vor ihnen lag.
    Das Heim des Kaisers, der Rote Palast, war weit weg, auf einer Tiefebene viele Wegstunden nach Westen. Die Paläste der anderen Familien befanden sich angeblich auf dem Schild. Sie fragte sich, ob dort oben auch ein Palast der Guillaumes stand, unbenutzt und unbewohnt.
    Dann bemerkte sie, wie sich die Nacht um sie herum veränderte. Sie hörte das Zirpen der ersten Vögel und das Kreischen der Esel. Schon bald würden die ersten Menschen hier herumlaufen. Zögernd kehrte sie zur Mauer zurück. Es ist keine gute Idee, dachte sie, zweimal in einem Leben wegen Desertion angeklagt zu werden.
    Als sie die Kaserne wieder erreichte, sagte ihr ein Soldat, dass Fortance nach ihr suchte. Sie folgte den Anweisungen des Mannes, und nachdem sie sich ein paarmal in dem Labyrinth um das Paradies-Tor verirrt hatte, bog sie endlich um eine Ecke und landete auf einem gepflasterten Exerzierplatz. Sie sah den alten Krieger, der erneut mit der Lord Leutnant redete. Sie blieb stehen und beobachtete ungesehen die beiden.
    Es kam selten vor, dass Indaro jemanden auf den ersten Blick nicht mochte, aber diese Frau stieß sie ab. Saroyan war dünn und groß. So unauffällig wie ein Skorpion. Und so kalt wie Eis. Plötzlich war Indaro davon überzeugt, dass die beiden über sie sprachen. Dann drehte Saroyan langsam ihren Kopf in ihre Richtung, und sie zuckte zusammen, wich in den schützenden Schatten der Mauer zurück. Als sie wieder hinsah, hatte sich Fortance bereits ein ganzes Stück entfernt, während Saroyan immer noch an derselben Stelle stand.
    Indaro kam zu dem Schluss, dass es ihre Pflicht war, zu ihrer Kompanie zurückzukehren, sofern sie keine anderen Befehle hatte. Ihre ehrgeizigen Gedanken an Anerkennung, Beförderung waren verschwunden, und sie wollte nur noch zu ihren Kameraden zurück. Sie holte ihre Rüstung und ihren Helm aus den Schlafunterkünften und ging in die Stallungen. Ihre Stute war gefüttert und ausgeruht. Als die Sonne den Horizont in prachtvolles Rosa und Gold tauchte, ritt sie durch das Paradies-Tor und lenkte ihr Pferd in den Sonnenaufgang.

10
    Die farbigen Wellen formten in der heißen Mittagssonne Muster. Zu Beginn der Schlacht waren die Linien aus Blau und Rot gerade und breit gezogen, kräftig und fest. Am Rand bewegten sich rasch dicke Flecken aus Grau und Schwarz. Diejenigen, die diese Muster erschaffen hatten, hegten keinerlei Zweifel an ihren Fähigkeiten und stellten sie zuversichtlich zur Schau. Schließlich hatten sie es schon häufig getan. Die Schlachtreihen prallten aufeinander, ihre Farben vermischten sich, sie bluteten. Im Laufe des Tages verloren die Farben allmählich ihre Klarheit, und Staubwolken vermischten die Muster noch mehr. In den letzten Nachwehen der Schlacht, wenn die Überlebenden zu ihren Stellungen zurückkehrten, war alles auf dieser Ebene grau gefärbt und rot getönt.
    Das Schlachtfeld war flach und lag so tief, dass man an seinem Ende hohe Holztürme errichtet hatte, damit die Architekten dieser Schlacht sie überblicken konnten. Die Generäle versammelten sich zusammen mit ihren Adjutanten und Dienern auf einem Turm. Einige aßen und tranken; das Essen musste mit einer Seilwinde zu ihnen hinaufbefördert werden. Sie würden möglicherweise lange Zeit dort oben ausharren müssen. Andere versagten sich diese Art von Genüssen, während ihre Soldaten abgeschlachtet wurden, aber sie plauderten, lachten gelegentlich und richteten ihre Aufmerksamkeit nur beiläufig auf das Gemetzel, das sich unter ihnen abspielte. Nur einige wenige standen konzentriert da und beobachteten jeden Zug, jeden tapferen Vorstoß, jeden bitteren Rückschlag.
    Fell durchströmte ohnmächtige Wut, während er zwischen diesen Männern stand. Einhundertvierzehn Tage hintereinander hatte er, bewaffnet und gerüstet, mit seinen Kriegern an

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