Der Moloch: Roman (German Edition)
Ausrüstung bekommen mussten wie die Männer, wenn sie kämpfen sollten.
Indaro gehörte zur dritten Welle weiblicher Kriegerinnen. Mittlerweile wurden die sechzehnjährigen Mädchen ebenso gut oder schlecht behandelt wie die Jungen. Als Fell diese Frau zum ersten Mal gesehen hatte, in seinem Zelt in dieser wundervollen Nacht, wusste er sehr genau, wer sie war – die Tochter eines missliebigen Politikers, Schwester eines Deserteurs, sie selbst ebenfalls eine Deserteurin, die mit dieser Frau Archange zusammenarbeitete. Als sie in jener Mitternacht in sein Zelt gekommen war, war er noch nicht sicher gewesen, was er mit ihr anfangen sollte.
Sie war groß und schrecklich dünn, und ihre Gesichtshaut spannte sich über ihre spitzen Wangenknochen. Sie war schmutzig und vollkommen erschöpft, und doch hielt sie sich mit einer Anmut, die ihn sofort erregte. Ihr dunkelrotes Haar strahlte wie ein Sonnenuntergang nach einem Sturm, und unter den dunklen Brauen waren ihre veilchenblauen Augen, fast auf gleicher Höhe mit den seinen, die mit grauen Punkten gesprenkelt waren. Einen Moment lang hatten ihm die Worte gefehlt.
Das Schweigen dehnte sich aus, und das Einzige, was ihm einfiel, war: » Ich kannte deinen Vater.«
Sie hatte ihn angestarrt, und ihre Augen hatten sich ein Stück geweitet. Ihm war klar, dass sie glaubte, er würde sie wegen der Vergangenheit ihres Vaters zur Rede stellen. » Ich habe niemals denen geglaubt, die behaupteten, er hätte eine Familie von Deserteuren großzogen«, setzte er deshalb hinzu. Eine Familie von Deserteuren? Was redete er da? Hätte er sie noch schlimmer beleidigen können?
Indaros Stimme klang trocken und ein wenig hölzern, als sie antwortete, während sie über seinen Kopf hinwegstarrte. » Er wusste nichts von meiner … Abwesenheit. Er hat mich enterbt, Ser.«
Das war eine Lüge, und Fell wusste es. Aber sie verteidigte nicht sich selbst; sie verteidigte ihren Vater.
» Meine Aufgabe besteht darin, Schlachten zu gewinnen«, hatte er geantwortet und sich gefragt, warum er sich ihr gegenüber erklärte. » Ich brauche alle Kräfte, die ich bekommen kann. Man hat mir gesagt, du wärst eine exzellente Schwertkämpferin. Ich kann es mir nicht leisten, dich zu verschwenden.«
Danach hatte er sie immer in Sichtweite behalten. Und er hatte eingewilligt, dass sie ihre Dienerin mitbringen durfte. Das Ersuchen hatte ihn amüsiert. Indaro hatte eindeutig nicht das Gefühl, sie müsste sich ihren Kameraden anpassen. Während der Rest seiner Soldaten, wie er selbst, alte Lederwämser trug, die einst rot gewesen waren, durch Sonne und Regen aber blassrosa oder ganz grau geworden waren, trug Indaro stets strahlend rote Lederpanzer, die sie regelmäßig Gott weiß woher bekam. Man berichtete ihm, sie wäre arrogant und unbeliebt. Das überraschte Fell nicht.
Dann kam es zu der Schlacht vom Kupferbach, wo sie, verletzt und mit zwei Schwertern bewaffnet, eine ganze Abteilung feindlicher Soldaten zurückgehalten hatte, damit man ihren verletzten Kameraden Maccus Odarin in Sicherheit bringen konnte. Maccus war beliebt, und danach hörte Fell keinerlei Kritik an Indaro mehr.
Er stellte fest, dass er sie fast wie besessen beobachtete und sich nach jedem Scharmützel davon überzeugte, dass sie noch am Leben war. Er war ständig damit beschäftigt, sich Gedanken an sie aus dem Kopf zu schlagen, aber in den unpassendsten Momenten konnte er plötzlich den Duft ihres Haars riechen und sich den anmutigen Umriss ihres Rückens vorstellen, wenn sie sich von ihm abwandte.
Aber er hatte seitdem kaum wieder mit ihr gesprochen, bis er, als sie in den Gräben in Salaba lagen, Befehl erhalten hatte, einen Trupp Veteranen loszuschicken, die als Leibwache des Kaisers dienen sollten. Er hatte auf eine Gelegenheit gewartet, Indaro wegzuschicken. Und auch Evan Quin. Die Lage vor Salaba hatte sich innerhalb der letzten sechs Monate stetig verschlechtert, und Fell fürchtete das Ende dieser Entwicklung. Trotzdem zögerte er, hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, Indaro in relative Sicherheit zu schicken, und dem Wunsch, sie dicht bei sich zu haben. Als er schließlich seine Entscheidung traf, tat er das zumindest teilweise deshalb, weil er dadurch einen Vorwand fand, wieder mit ihr sprechen zu können.
Als er sie und Evan zusammen in der Mannschaftsmesse fand, schien es eine gottgegebene Gelegenheit zu sein. Sie meldete sich sofort freiwillig, was er natürlich gewusst hatte. Aber ebenso taten es auch die
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