Der Moloch: Roman (German Edition)
kann. Andere suchen nach Goldzähnen. Ich suche immer nach Stiefeln. In denen hier kann ich zwölf Stunden am Tag marschieren.«
» Ein Freund von mir hat wegen schlechter Stiefel beide Füße verloren«, erzählte ihm der andere Mann. Seine Augen waren gerötet, und er blinzelte ständig.
» Der Quartiermeister steht bestimmt auf der Lohnliste des Feindes«, stimmte Fell ihm zu und nickte.
Der Blaue sah ihn überrascht an. » Glaubst du das auch?«
» Das ist doch wohl klar«, antwortete Fell.
Der Soldat vor ihnen hatte ihr Gespräch mitgehört und warf jetzt eine Beschwerde über den Sitz seines Helms ein. Fell grinste unwillkürlich. Soldaten sind doch überall auf der Welt gleich, dachte er.
» Wie ist dieser Offizier denn so?«, fragte er seinen neuen Kameraden und deutete mit einem Nicken auf den Mann auf dem Pferd.
Der Soldat mit den geröteten Augen hustete und spie in den Staub. » Ich kenne ihn nicht«, sagte er schließlich. » Ich weiß nicht einmal genau, ob er überhaupt ein Offizier ist. Er ist einfach nur der Mann auf dem Pferd.«
Sie marschierten Richtung Südosten, und erneut fragte sich Fell, was aus dem Hauptteil der Armee der Cité geworden war. Seine Truppen waren an der äußersten rechten Flanke gewesen, deshalb waren sie von der Flut abgeschnitten worden. Er war erst nach Norden und dann nach Westen gegangen und ging jetzt nach Südosten, und er fragte sich allmählich, ob er die ganze Zeit im Kreis um die Armee herumgegangen war.
Er wollte nur ungern Aufmerksamkeit auf sein Unwissen lenken, aber schließlich fragte er doch. » Wie lauten unsere Befehle?«
Der Mann mit den geröteten Augen sah ihn neugierig an. » Überlebende zusammentreiben«, antwortete er gedehnt, als spräche er mit einem Kind.
Fell schüttelte den Kopf. » Ich muss wohl länger ohnmächtig gewesen sein, als ich gedacht habe«, sagte er, während eine Eiseskälte durch seinen Körper kroch. » Überlebende von der Flut?«
» Nein, Schwachkopf«, erwiderte der Soldat grinsend. » Überlebende von der Schlacht. Die Schlacht von Salaba, der größte Sieg, den die Welt jemals erlebt hat. Zwanzigtausend Ratten ausgelöscht, an nur einem einzigen Tag.«
Das Patt von Salaba, das länger als ein Jahr angedauert hatte, war von der verheerenden Flut aufgelöst worden, wie Fell erfuhr. Es war nicht nur seine Kompanie, die abgeschnitten und zerstört wurde. Die gesamte Maritime war von den Wassermassen überwältigt worden. Selbst einige der Generäle waren ums Leben gekommen, als sie vielleicht zum ersten Mal seit Jahrzehnten gezwungen worden waren, ihr Schwert zu nehmen und sich und die Stadt zu verteidigen. Viele waren gefangen genommen worden, sagte man, und man hatte sie gefoltert, um die Geheimnisse der Verteidigungsanlagen der Cité zu erfahren. Fell fragte sich, ob Randell Kerr gezwungen worden war, um sein Leben zu kämpfen. Er erinnerte sich an den hölzernen Turm, auf dessen Spitze die Generäle Wein geschlürft hatten, und stellte sich vor, wie er von feindlichen Soldaten umringt und vielleicht sogar in Brand gesteckt worden war. Er empfand kein Mitleid für sie.
Dann dachte er wieder an Indaro. Er hatte ihre Leiche nicht zwischen den Kadavern gefunden. Er hoffte, dass sie tot war, statt gefangen genommen worden zu sein. Angeblich folterten die Blauen weibliche Gefangene, bevor sie sie ermordeten, aber er hatte noch nie irgendwelche Beweise dafür gesehen.
Als die Cité vor zwanzig Jahren wegen des andauernden Krieges unter einem gefährlichen Mangel an jungen Männern litt, wurde entschieden, auch junge Frauen zum Militärdienst zu zwingen. Fell war damals ein junger Infanterist gewesen und hatte sich bereitwillig in die hochmütige Verachtung den verängstigten Mädchen gegenüber eingereiht, die an die Front geworfen wurden. Die Generäle waren gezwungen worden, einen Plan auszuführen, an den sie nicht glaubten, und reagierten typisch. Sie ließen die Mädchen kämpfen, aber sie bildeten sie weder richtig aus noch rüsteten sie sie ordentlich mit Waffen aus. In der Folge starben sie zu Tausenden und bestätigten so die Vorhersagen der Männer. Aber die männlichen Soldaten, die Ehefrauen, Schwestern und Geliebte zu Hause hatten, hatten Mitleid mit ihnen und bildeten die Frauen selbst aus. Sie rüsteten sie mit den Brustpanzern und Helmen toter Männer aus. Trotzdem wurde eine ganze Generation von Frauen der Cité geopfert, bevor die Generäle endlich einsahen, dass sie dieselbe Ausbildung und
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