Der Monat vor dem Mord
einer Gehaltserhöhung. Sagen wir dreihundert im Monat?«
»Das ist mir recht«, sagte Horstmann, und er dachte: diese knickrige Sau. Ich muss ihn jetzt darauf bringen, dass ich das Mittel gegen die Kiefernfresser gefunden habe, und dass er damit viel Geld machen kann. Ich muss ihm suggerieren, dass er zwar die Formel hat, dass ich sie aber jederzeit noch weitergeben kann und ihn damit in schwere Schwierigkeiten bringe. Denn das gibt Patentprozesse.
»Und um diese Bitte bei mir anzubringen, wollten Sie einen ganzen Jahresurlaub nehmen?«
Horstmann schüttelte ein wenig mühsam den Kopf, dann betrachtete er nachdenklich den Kugelschreiber, mit dem er die Formel und die Dosierung des Mittels aufgeschrieben hatte, und sagte, als sei es ihm jetzt plötzlich bewusst geworden: »Übrigens kennt niemand die komplette Formel. Außer mir. Ocker kennt nur einen Teil.«
»Natürlich, natürlich, ich kenne doch Ihre Verschwiegenheit. Aber Sie reden doch wie eine Katze um den heißen Brei herum. »Was ist denn noch, Mensch?«
»Ich brauche hunderttausend Mark«, sagte Horstmann.
»Wie bitte?«, fragte der Mann hinter dem Schreibtisch.
»Ich brauche hunderttausend Mark«, sagte Horstmann geduldig und demütig.
»Ja, wofür denn, um Himmels willen?«
»Für das Haus«, sagte Horstmann. Er beugte sich vor und schlug die Hände vor das Gesicht. »Ich habe mir doch vor sieben Jahren, als ich hier anfing, ein kleines Haus gekauft. Sie wissen es nicht. Ich hatte einen Bausparvertrag. Natürlich kamen hohe Kredite dazu. Und seitdem zahle ich Raten.« Er brach ganz unvermittelt ab, um dem Mann hinter dem Schreibtisch Gelegenheit zu geben, sich in die Diskussion zu werfen. Er wusste, dass es eine der Leidenschaften dieses Mannes war, jemanden auszufragen.
»Mit anderen Worten, Sie wollen die hunderttausend Mark, weil Sie mit den Zahlungen im Rückstand sind?«
Horstmann versetzte ihm jetzt den ersten, sanften Schlag. Er sagte: »Nein, ich bin nicht im Rückstand.« Er legte leichte Empörung in seine Worte.
»Ja, was ist denn dann? Himmel, Arsch und Zwirn. Sie machen es einem verflucht schwer.« Jetzt war der Mann hinter dem Schreibtisch nahezu zornig. Das war gefährlich für Horstmann, das durfte nicht sein.
»Ich bitte nicht gern um etwas«, sagte er. »Es ist einfach so: Ich hin hier ziemlich erfolgreich, und ich bin nichts als Chemiker.« Er lächelte sanft. »Mit Geld kann ich auch nicht sonderlich umgehen. Ich will die hunderttausend Mark haben, um sie an die Bank zurückzugeben, damit das Haus endlich mir allein gehört. Und außerdem hat meine Frau gesagt, wir bezahlen viel zu viel Zinsen für das Darlehen.« Der Mann, dem die Firma gehörte, der ein Kaufmann war, etwas dicklich, mit einem Hang zu Bier und Kirmeswürstchen, begann schallend zu lachen, er gluckste vor Lachen, er schlug sich auf die Oberschenkel, stand auf, machte ein paar Schritte, starrte aus dem Fenster, prustete vor Lachen. Drehte sich herum, bemühte sich um Fassung, setzte sich wieder, wagte es nicht, Horstmann anzusehen, um ihnnicht durch erneutes Gelächter zu demütigen, lachte aber trotzdem, bis ihm die Tränen über das Gesicht liefen, das wenige Jahre später sicherlich feist sein würde und rot von zu hohem Blutdruck. In diesem Augenblick begriff Horstmann, dass er gewonnen hatte. Er hielt die Augen zu Boden gesenkt.
»Ich weiß es jetzt«, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch, »ich weiß genau, was Ihnen passiert ist. Ihre Frau hat Sie getreten. Sie hat herumgeschimpft, warum Sie nicht das Geld zinslos von mir verlangen. Und sie hat geschimpft, dass Sie ohnehin genügend für diese Firma tun, und dass Sie das Recht auf eine solche Hilfe haben. Ist das so?«
»Das ist so«, sagte Horstmann. Er sah den Chef erstaunt an. »Kommt das häufig vor? Sie scheinen das zu kennen.« Er war verwirrt und erheitert zugleich. Ausgerechnet Maria bekam den Schwarzen Peter zugeschoben.
»Na ja«, sagte der Chef, »in Ihrem Fall war es nicht schwer, den Zusammenhang zu sehen. Von sich selbst aus wären Sie nicht gekommen.«
»Nein«, sagte Horstmann unendlich erleichtert. »Deshalb wollte ich auch den Jahresurlaub.«
Das schien eine vollkommen belanglose Bemerkung zu sein, aber sie war der eigentliche Schlüssel seines Spiels.
»Wieso Sie deshalb einen Jahresurlaub wollten, verstehe ich nicht.«
Horstmann murmelte: »Ich wollte mich umsehen, wo ich das Geld zinslos bekommen kann. Außerdem wollte ich einmal ausspannen.«
»Ausspannen ist nicht«,
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