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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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Nicht, daß ich sie geheiratet hätte, versteht sich (sie schien übrigens an einer zweiten Ehe nicht interessiert zu sein), und da ich Geistlicher bin und diesen häufigen Partnerwechsel ohnehin gar nicht billige, kam eine Affäre nicht in Frage (außerdem kann man nicht richtig fit bleiben, wenn man dauernd in der Gegend herumliebt). Trotzdem hatte ich den Eindruck, daß es ihr nichts ausgemacht hätte, mich zeitweise zu schnappen«, sagte der Pfarrer mit offenkundiger Befriedigung. »Sie sehen also, daß sie nicht gerade das war, was man wählerisch nennt.
    Und das war eigentlich das Hauptproblem. Natürlich gab es Aufregungen wegen Ehemännern, wenn auch nicht so viele, wie man erwartet hätte, und auch nicht so schlimme, wie man befürchten mußte. Wo Mavis beteiligt war, schienen die betroffenen Frauen auf irgendeine Weise halb gelähmt zu sein; sie waren wütend, aber, aus rätselhaften Gründen, nicht auf Mavis; sie war so gerade und offen in allem, daß das die Leute einfach zu hypnotisieren schien. Abgesehen davon überdauerte kein einziger Mann bei Mavis mehr als eine oder zwei Wochen; und darüber hinaus schien es Mavis’ Männern nie etwas auszumachen, daß sie abserviert wurden; sie akzeptierten das einfach so, wie man akzeptiert, daß man nichts mehr essen will, wenn man eben zu Tisch war.« Der Pfarrer rieb sich versonnen die Nase. »Mavis sah wirklich sexy aus«, fügte er hinzu. »Aber ich habe mich manchmal gefragt, ob das arme Mädel im Bett vielleicht nicht sehr gut war. Das würde erklären, warum ihre Männer nicht sehr erbost waren, wenn sie sie fallenließ, und es würde auch verständlich machen, warum sie von einem Mann zum nächsten und zum übernächsten wechselte.«
    »Auf der Suche nach einem, der sie erwecken konnte, meinen Sie?«
    »So ist es. Oberflächlich erschien sie völlig normal und… und erfüllt unbeschwert und glücklich und zufrieden, obwohl sie so aktiv war. Nichts Neurotisches jedenfalls. Aber das könnte eine Täuschung gewesen sein.
    Im übrigen ist das jetzt alles eine akademische Frage. Was ich sagen wollte, ist: Es war nicht die gelegentliche Aufregung über anderer Frauen Ehemänner, die manche Leute bei Mavis beunruhigte, als vielmehr die Tatsache, daß sie so hoffnungslos unwählerisch war. Manche ihrer Männer waren in Ordnung, aber es gab andere, die wirklich schreckliche Kerle waren, Lümmel, bei denen man nicht geglaubt hätte, daß Mavis sich tot mit ihnen sehen lassen wollte. Und wie gesagt, es waren ganze Scharen; es war, als wollte Mavis sich für das »Guinness Buch der Rekorde< qualifizieren; und nicht nur Männer aus der Gegend von überall her, sogar bis aus Plymouth und Exeter und London.
    Der Grund, warum ich das alles weiß, ist der, daß Mavis nicht im mindesten verschlossen war, was ihr Verhalten anging. Vor allem war da eine Freundin namens Ella Hamilton sie lebt jetzt in Walsall; an sich ein lästiges Wesen, aber Mavis schien sie zu mögen. Jedenfalls erzählte Mavis Ella praktisch alles, nicht immer mit Namen, aber ohne sonst viel für sich zu behalten. Die beiden hielten zusammen wie Pech und Schwefel aber dann machte Mavis Ellas Freund Avancen, Ella nahm Anstoß, und unter anderem kam sie zu mir und kippte einen Eimer Klatsch über Mavis aus. Ich versuchte, das alberne Geschwätz zu unterbinden, doch sie war halb hysterisch, und es gelang mir nicht. Sie stellte sich vor, daß ich gegen Mavis etwas unternehmen, ihr eine Predigt halten sollte, vermute ich.«
    »Was Sie nicht taten«, sagte Fen.
    »Was ich nicht tat. Hätte auch nichts genützt. Niemand hört heutzutage auf die Geistlichkeit, außer Humanisten, die Bischöfe vom Süd-Ufer willkommen heißen wollen… sagen Sie«, meinte der Pfarrer, »finden Sie es hier nicht ein bißchen stickig?«
    »Nicht direkt stickig. Rauchig.«
    »Das ist das Weihrauchfaß«, nickte der Pfarrer. »Es hat die Produktion erhöht. Ich unternehme lieber etwas dagegen, sonst ersticken wir alle beide.« Er zog unter seinem Stuhl eine große Ton-Teekanne heraus, ging zum Weihrauchfaß und goß den Inhalt der Kanne hinein. Es gab ein Zischen, der Rauch quoll zunächst stärker, dann schwächer und hörte schließlich ganz auf.
    »Interessantes Ding, dieses Rauchfaß«, sagte der Pfarrer, als er die Kanne wegstellte und sich wieder setzte. »Gehörte diesem Esel Dashwood. Ein Verwandter von mir kaufte es, als die Mönche von Medmenham aufgaben. Ich nehme an, sie benutzten es für ihre schwarzen Messen und so

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