Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
Vom Netzwerk:
unvorsichtig oder schwindlig zu werden oder von einer Brücke zu stürzen, aber es könnte so gewesen sein. Allerdings gab es vier Dinge Hinweise, wenn Sie wollen die auf die Möglichkeit einer Gewalttat hindeuteten.
    Erstens ist Mavis, nachdem sie abgestürzt oder hinuntergestoßen worden war, nicht sofort gestorben, wie die Ärzte sagen. Sie hat vermutlich noch eine halbe Stunde oder länger gelebt. Sie hätte ertrinken können über der Felsplatte, auf die sie stürzte, stehen gute sechzig Zentimeter Wasser – oder sie könnte sich den Schädel eingeschlagen haben und so umgekommen sein; aber woran sie der Obduktion zufolge wirklich starb, waren innere Blutungen, und das nahm einige Zeit in Anspruch. Ihr rechter Arm war unverletzt, und man nahm an, daß sie sich damit hochgehoben und den Kopf über Wasser gehalten hat. Viel mehr kann sie nicht getan haben, um sich zu helfen, die arme Seele zu schwer verletzt; sie litt, wie sich ergab, an Osteoporose, Knochenerweichung, und es gab enorm viele Brüche, zu viele, als daß sie sich zum Ufer hätte schleppen können. Aber sie hätte rufen können; schwach, vielleicht, ihrer Verletzungen wegen, aber laut genug, um von jedem gehört zu werden, der auf der Brücke stand.«
    »Gibt es Häuser in unmittelbarer Nähe der Brücke?« fragte Fen. »Ich kann mich auf Anhieb nicht erinnern.«
    »Nein, ganz in der Nähe nichts und der Fluß rauscht natürlich ziemlich laut. Was die Häuser betrifft, so hätte das arme Ding sich die Lunge aus dem Leib schreien können, ohne daß jemand etwas gehört hätte. Aber auf der Brücke wäre es zu hören gewesen, was die Vorstellung eines unschuldigen Freundes, der dort wartete, ohne von einem Unfall etwas zu ahnen, praktisch ausschließt.
    Das zweite war, daß die Polizei Spuren fand frisch geknickte Zweige und dergleichen –, die daraus schließen ließen, daß jemand sich durch das Gebüsch von der Brücke zum Wasser gezwängt hatte, auf der Seite, wo Mavis lag. Außerdem fand man am Ufer eine plattgedrückte Stelle im Gras, als hätte dort jemand im Schatten der Brücke gekauert oder gesessen. Man vermutete, daß jemand genau das getan und darauf gewartet haben könnte, bis Mavis starb vielleicht hat er sogar mit ihr gesprochen.«
    »Guter Gott«, stieß Fen entsetzt hervor.
    »Ja, ganz scheußlich. Die Spuren waren aber nicht sehr eindeutig, und außerdem müssen sie nicht unbedingt mit Mavis’ Tod zusammengehangen haben sie können am Tag vorher entstanden sein. Es war trockenes Wetter, wie jetzt, so daß es nichts so Konkretes wie einen Fußabdruck gab; und man fand keine Zigarettenkippen oder Stoffäden oder dergleichen.
    Drittens: Mavis’ Handtasche«, fuhr der Pfarrer fort. »Die Strömung ist an den Ufern nicht stark, so daß man die Tasche nur ungefähr einen Meter von ihr entfernt im Wasser fand. So weit, so gut aber es gab eine Besonderheit. Wußten Sie, daß Fingerabdrücke unter Wasser bestehen bleiben können?«
    »Ja.«
    »Nun, nach aller Logik hätten also ein paar Fingerabdrücke auf der Tasche sein sollen. Man fand aber keine. Der Griff war eine Art farbige Kordel und hätte keine Abdrücke angenommen, aber es hätten einige auf der Tasche selbst sein müssen, weil die aus glattem Schweinsleder war.«
    »Sie könnte das Ding abgeputzt haben, bevor sie zu Hause wegging, und dann nur noch die Kordel berührt haben.«
    »Gewiß. Auf der anderen Seite kann es auch sein, daß sie die Tasche vor dem Sturz fallen ließ; dann kann jemand sie aufgehoben, geöffnet, in ihr herumgekramt, sie wieder zugeklappt und abgewischt haben, bevor er sie hinter ihr ins Wasser warf.«
    »Ja… Sie hatte also keine Handschuhe bei sich.«
    »Man fand keine. Und niemand sah einen Grund, warum ein Mörder sie ihr abgenommen und weggetragen haben sollte.«
    »Ja«, sagte Fen noch einmal. Er überlegte, daß, wenn Mavis Trent wirklich ermordet worden war, der Indizienbeweis >Handtasche< besonders interessant war, nicht so sehr, weil der Mörder sie untersucht oder nicht vergessen hatte, sie abzuwischen, sondern aus einem anderen, einem ziemlich naheliegenden Grund, wenn man alles in Betracht zog. Es war so, daß Fen in diesem Augenblick seine erste dunkle Ahnung davon hatte, was sich später als die Wahrheit herausstellen sollte. »Ja, ich verstehe«, sagte er. »Aber mehrdeutig. Wenn Mavis Trent eine elegant gekleidete Frau war, wie Sie sagen, würde sie die Tasche ganz gewiß abgeputzt haben, bevor sie das Haus verließ.«
    »Leider ist

Weitere Kostenlose Bücher