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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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alles mehrdeutig«, sagte der Pfarrer. »Verdachtsgründe, ja, aber nie etwas Schlüssiges.«
    »Sie sagten, es hätte vier Hinweise gegeben. Was war der vierte?«
    »Ein Taschentuch. Von Mavis’ Hand fest umklammert. Ich weiß nicht, wie der technische Ausdruck dafür lautet, wenn Tote etwas fest umklammern, aber Sie werden ihn kennen.«
    »Leichenstarre.«
    »Ich glaube es Ihnen. Jedenfalls war dieses Taschentuch in Mavis’ Hand zusammengeknüllt. Und es war ein Männer-Taschentuch, keinesfalls eines von Mavis.«
    »Können Sie sicher sein, daß es nicht ihr gehörte, selbst wenn es ein Männer-Taschentuch war? Frauen haben manchmal Taschentücher für Männer.«
    »Ich bin ganz sicher, daß es nicht von ihr war.«
    »Steckte ihr eigenes Taschentuch in ihrer Handtasche oder in ihrer Rocktasche?«
    »Nein. Sie schien keines dabei zu haben.«
    »Also.«
    »Was ich mir vorstelle, ist, daß der Mörder, wenn es ihn gegeben hat, wußte, daß sein Taschentuch in Mavis’ Hand in den Fluß geraten war, und er ihr Taschentuch aus ihrer Handtasche nahm und es mitnahm, um den Eindruck zu erwecken, sein Taschentuch sei das ihre.«
    »Das sind alles wilde Hypothesen«, betonte Fen.
    »Ja, das weiß ich. Ich sage nur, daß Mavis zu gut angezogen war, um mit einem billigen, alten Baumwolltaschentuch eines Mannes zu einer Verabredung zu fahren. Daran hätte sie nie im Leben gedacht. Und wenn das so ist, dann ist ihr von dem Mann, den sie traf, aus irgendeinem Anlaß das Taschentuch gegeben worden.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Fen. »Frauen borgen sich manchmal von Männern Taschentücher, lassen sie anschließend waschen und geben sie zurück. Mavis Trent könnte das getan haben das Taschentuch mitgenommen haben, um es zurückzugeben, und sie könnte von selbst in den Fluß gestürzt sein, bevor der Besitzer kam.«
    »Aber wo war in diesem Fall ihr eigenes Taschentuch? Außerdem war das Taschentuch in Mavis’ Hand ganz zerknittert, ganz zerknüllt, nicht sauber zusammengefaltet, wie es der Fall gewesen wäre, wenn Mavis es frisch gewaschen und gebügelt gehabt hätte.«
    Fen seufzte.
    »Ja, das ist ein Punkt«, bestätigte er. »Nicht gerade ein Beweis, der fürs Hängen reicht, aber ganz gewiß paßt es nicht zur Unfalltheorie, vor allem im Zusammenhang mit den drei anderen Hinweisen nicht, die Sie erwähnt haben. Die Polizei hat wohl versucht, herauszufinden, wem das Taschentuch gehörte?«
    »Ja, aber ohne Erfolg. Sie konnte nicht einmal den Hersteller ermitteln, geschweige denn den Einzelhändler; wie gesagt, es war ein billiges, alltägliches Ding. Widger von der Polizei sagte bei der gerichtlichen Voruntersuchung, es stamme entweder aus dem Ausland, oder der Hersteller sei schon vor Jahren pleite gegangen.«
    »Keine Initialen? Kein Wäschereietikett?«
    »Weder noch. Alles, was die Fachleute sagen konnten, war, daß es schon ziemlich oft gewaschen worden war. Sie fanden keine bedeutsamen Flecken darauf, weder Blut noch Öl, noch sonst etwas.«
    »Das ist natürlich sehr wenig. Trotzdem wundert es mich, daß die Jury bei der gerichtlichen Voruntersuchung auf Unfall entschied. Ich hätte gedacht, daß man sich das Urteil vorbehalten hätte.«
    »Ich auch, aber der Coroner war anderer Meinung«, sagte der Pfarrer. »Er meinte, es sei überhaupt kein Mann beteiligt gewesen: Mavis hätte einfach beschlossen, eine Fahrt zu unternehmen und im Mondschein über die Brücke zu laufen; dann sei sie in der V-Bucht mit dem Rücken zur Brüstung stehengeblieben, hätte zum Mond hinaufgeblickt und das Gleichgewicht verloren und sei hinuntergefallen. Er deutete an, daß Mavis nach dem Streit mit Ella Hamilton einen Sinneswandel durchgemacht und beschlossen haben könnte, eine Weile auf Männer zu verzichten; das sah er dadurch bestätigt, daß der Klatsch über sie plötzlich keine Nahrung mehr bekommen hatte. Außerdem wies er darauf hin, daß es zwei Wochen oder länger ziemlich kalt gewesen sei und bei dieser Art von Wetter die Leute sich normalerweise nicht dazu verabredeten, al fresco zu schmusen, Mond hin, Mond her. Was das Taschentuch anging, so sagte er, es hätte fast mit Sicherheit Mavis gehört. Die Handtasche müsse Mavis selbst abgewischt haben. Bei den Spuren im Gebüsch und am Ufer gäbe es keine Veranlassung, sie mit der Tragödie in Zusammenhang zu bringen. Und was Mavis’ Fähigkeit anging, um Hilfe zu rufen, so sagte er, wenn niemand in Hörweite gewesen sei, komme es darauf nicht an. Es klang alles sehr

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