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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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»Und dann natürlich die Farbe.«
    Sie dachten beide an die Farbe. Jemand war auf den Gedanken gekommen, daß die Holzteile des Botticelli-Zelts etwas aufgefrischt werden mußten, und hatte fast den ganzen Freitag damit verbracht, sie neu zu streichen, wobei viel Farbe verspritzt worden war. Leider hatte der Herr ein Mann namens Wisdom sich die Farbe getrockneten Blutes ausgesucht, so daß die Spurensicherung jetzt die Aufgabe hatte, zahlreiche Stücke von ausgestochenem Gras danach zu untersuchen, ob ihre Färbung auf Blut oder auf Farbe oder auf beides zurückzuführen war.
    Ling steckte drei seiner Pfeifen in die Taschen und die vierte, die eindrucksvollste, in dem Mund, ergriff Widgers Bericht und ging zur Tür.
    »Wissen Sie, was ich unbedingt wissen möchte, Charles?« sagte er, als sie im Korridor standen, während Widger absperrte.
    »Nein. Was?«
    »Ich möchte wissen, wie, zum Teufel, dieses Riesending von Arm aus dem Zelt geschmuggelt werden konnte, ohne daß jemand es gesehen hat.«

9. Kapitel
    Die kurzen Arme von Zufall und Gesetz
     
    Sprach Hudibras, Freund Ralph, doch jetzt
    hast eingeholt den Constable du doch zuletzt.
    Samuel Butler, >Hudibras<
     
     
    1
     
    Die Pressekonferenz war kein Erfolg.
    Das lag zum Teil daran, daß die Polizeistation Glazebridge keinen Raum besaß, der groß genug dazu gewesen wäre. Die Reporter mußten sich zusammenquetschen, und viele fanden keinen Sitzplatz. Angesichts der sensationellen Begleitumstände (die ein wenig Unbequemlichkeit vergessen ließen) hätte der Platzmangel aber nicht sehr viel ausgemacht, wäre nicht Ling gewesen. Er hatte bereits einen schweren Fehler begangen, als er zugelassen hatte, daß Presseleute und Zeugen unbehindert miteinander verkehren konnten, während er in Widgers Büro die Vernehmungen führte; jetzt vergrößerte er ihn noch, indem er so tat, als hätten diese Begegnungen nie stattgefunden. Die Zeugen waren eingehüllt gewesen in eine Wolke von Kameras, Notizbüchern und Kassettenrecordern. Sie waren Ziele einer ungeheuren Neugier, Mittelpunkte eines endlosen Stromes von Fragen. Und nur wenige hatten daran Anstoß genommen oder sich der Zurückhaltung befleißigt; die meisten waren hoch erfreut gewesen und hatten rückhaltlos geplaudert, oft, ohne sich an die reine Wahrheit zu halten, oft mit grandiosen Ausschmückungen. Scorer hatte sich, zu seiner anfänglichen Überraschung, als Held gefeiert gefühlt und mit der Behauptung reagiert, er hätte nicht nur den Mörder gesehen, sondern ihn auch durch die Nacht verfolgt und nur um Haaresbreite nicht zur Strecke gebracht. Der Major ließ sich über Sals ungewöhnliche Fähigkeiten als Wachhund aus. Luckraft ließ alle Hinweise auf Rechen, Mangeln und Oliver Meakins’ Pflegekünste beiseite und schilderte, wie er jemanden im Garten neben Mrs. Clotworthys Haus habe lauern sehen. Alle diese Leute und andere hegten Ansichten ausgefallenster Art nicht über diesen letzten Mord, sondern auch über Rouths und Mavis Trents Tod, und über die verschiedenen Zusammenhänge. Die Misses Bale sprachen wortreich über die Kränkung für ihren Botticelli, und Tittys Reaktion auf die Entdeckung der Leiche ÄLTERE DAME FINDET NACKTE MÄNNLICHE LEICHE HINTER UNSCHÄTZBAREM MEISTERWERK wurde weithin erforscht. Der Pfarrer begnügte sich mit der Feststellung, daß es eine Menge zweifelhafter Typen gebe. Unaufhörlich zuckten Blitzlichtlampen, die wildesten Gerüchte gingen von Mund zu Mund, und Scorer wurde so lästig, daß Sergeant Connabeer ihn mit Gewalt von seinen Befragern löste und in eine Zelle sperrte. Die Reporter freuten sich, und die schlichteren Gemüter unter ihnen nahmen an, daß Scorer weit davon entfernt, den Mord nur miterlebt zu haben jetzt der Tat überführt worden und rundweg verhaftet worden sei.
    Ling machte seinen zweiten Fehler, als die Zeugen endlich fortgeschickt worden waren und die eigentliche Pressekonferenz begann. Zu Beginn schien sie gut zu verlaufen. Ling hatte ursprünglich in seiner Eröffnungserklärung wenig mehr anbieten wollen, als was am Morgen in der >Gazette< gestanden hatte, ergänzt durch ein paar harmlose Kleinigkeiten, wie die, daß der Mörder vermutlich ein Auto benutzt hatte und daß die Obduktion von dem gefeierten Sir John Honeybourne durchgeführt wurde. Es war daher ein Schock für ihn, als die Reporter Fragen zu stellen begannen, die auf ihren eigenen Befragungen der Zeugen beruhten. Wären diese Fragen halbwegs vernünftig geblieben, hätte Ling

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