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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Anständigkeit, Fairneß. Da seid ihr den Menschen über. Was die Menschen so unter Liebe verstehen, ist eine sehr zweifelhafte Angelegenheit. Und von Treue und Anständigkeit in diesem Zusammenhang wollen wir lieber gar nicht reden. Da müssen wir uns vor euch schämen. Ja, siehst du, mein Freund, so ist das.«
    Als unser Zug in Airólo aus dem Tunnel rollte, war der Himmel strahlend blau, und die Sonne schien über das wilde Tal, in dem der Ticino bergabwärts floß. Das Wunder des Tessins, es funktionierte fast immer.
    In Faido machten wir eine kleine Rast, vertraten uns die Füße und aßen eine Kleinigkeit. Dann ging es weiter. Auf der Fahrt abwärts begann ich ernsthaft zu überlegen, wo ich nun eigentlich hinwollte. Zu Hause hatte mein Unternehmen ganz plausibel ausgesehen, jetzt begann es mir albern vorzukommen.
    Die falsche Pflegerin war vor zehn Jahren in Ascona gesichtet worden, laut Jonny. Sie verkaufte Kuchen in einem Café und war ein schlichtes, aber lernbegieriges Kind vom Lande. Bene! Und was noch?
    So klein war die berühmte Sonnenstube der Schweiz nun auch wieder nicht. Hier zum Beispiel, wo ich jetzt talabwärts rollte, gab es Dörfer und Flecken und kleine Städtchen. Sollte ich vielleicht überall anhalten und fragen: »Per favore, haben Sie vielleicht irgendwann eine blondgelockte Krankenschwester gesehen, die weder blond noch Krankenschwester ist? Und einen Herrn mit Sonnenbrille? Und einen kleinen Jungen, der nicht laufen kann?«
    Der Herr mit Sonnenbrille, jener bestimmte, den ich suche, war vermutlich gar nicht da. Er gab einmal Briefe auf in Basel und ein anderes Mal in Genf und war vermutlich stets auf Reisen. Der kleine Jungen würde nicht in der Gegend herumspazieren, und die Schwester …
    Zum Teufel noch mal, was tat ich hier?
    Am Nachmittag war ich in Bellinzona, und nun mußte ich mich endgültig entscheiden, wo ich hinwollte. Ich entschied mich für Ascona. Das war der einzige Anhaltspunkt, den ich hatte. Und ich mußte nicht noch einmal über den Berg.
    Zur Aperitifstunde traf ich in dem Dorado steuersparender deutscher Prominenz ein. Auf der Piazza herrschte ein Betrieb wie auf dem Stachus in München zur Hauptverkehrszeit. Amigo zog den Schwanz ein, als wir da herumschlenderten, und machte ein unglückliches Gesicht. Wir tranken einen Espresso, das heißt, ich trank ihn, für Amigo besorgte mir eine abgehetzte Kellnerin ein Schüsselchen mit Wasser.
    Ich war versucht, sie zu fragen, ob sie ein Mädchen namens Dorette kenne. Aber dann fiel mir ein, daß Jonny gesagt hatte, Dorette habe sie damals bestimmt nicht geheißen. Ihm sei so dunkel, als hätte der Name Maria gelautet, aber er könne sich täuschen, Maria gäbe es viele in der Gegend, und in seinem Leben habe es auch viele Mädchen gegeben, er könne sich kaum die Namen derjenigen merken, die ihm nähergestanden hätten, geschweige denn einen Namen wie diesen, der ihn nichts angegangen sei.
    Eine knappe Stunde vergnügte ich mich damit, in Ascona nach einem Quartier für uns zu fragen, aber das war ganz aussichtslos. In jedem Bett schlief schon einer.
    Wir fuhren also nach Locarno zurück, beide redlich müde und des Fahrens überdrüssig.
    In einigen der großen Hotels am See wollte man uns auch nicht haben. Ich nahm vorsichtshalber Amigo jedesmal mit, wenn ich nach einem Zimmer fragte, denn ich konnte ihn ja doch nicht unterschlagen. Die Herren Portiers musterten ihn mit hochgezogener Braue und schüttelten dann den Kopf. Zu ihrem größten Bedauern – das Haus war ausverkauft.
    Doch siehe da, im allergrößten, allerschönsten, allervornehmsten Hotel lachte der Herr über die Schlüssel, als er uns sah. Ihm gefiel Amigo auf den ersten Blick. »Was für ein schöner Hund!« rief er. »So einen hatte ich auch einmal.«
    Amigo benahm sich sehr geschickt, ließ sich anschauen und streicheln, ohne Knurren und Zähnefletschen, und wir bekamen ein prächtiges Zimmer mit Blick über den See.
    Amigo zuliebe ließ ich mir das Abendessen aufs Zimmer bringen. Wir speisten gut und reichlich, ich trank eine ganze Flasche Tessiner Wein. Anschließend machten wir noch einen kleinen Spaziergang am See entlang und gingen früh zu Bett.
    Dies war der Reisetag. Am nächsten Tag trieben wir uns in der Gegend herum. Am See entlang, unter den Arkaden von Locarno, in den engen Gassen der oberen Stadt. Wir fuhren auch noch einmal nach Ascona, gingen kreuz und quer durch den Ort und bewunderten nebenbei die mehr oder weniger geraden Beine

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