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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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bundesdeutscher Urlauber in knielangen Shorts.
    Dazwischen rief ich zu Hause an. Tante Hille wußte nichts. Das zweite Gespräch führte ich mit Schloß Wilberg. Ilona war zuerst am Telefon.
    »Wo gondeln Sie denn herum?« fragte sie, gar nicht sehr passend für die Empfangsdame eines so vornehmen Hotels. Es klang geradezu empört. »Einfach wegzufahren!«
    »Entschuldige, mein Liebling«, sagte ich mit zärtlichem Schmelz, »daß ich versäumt habe, mich zu verabschieden. Um so leidenschaftlicher wird das Wiedersehen sein.«
    Ich hörte sie tief atmen, aber bevor sie etwas sagen konnte, fragte ich: »Gibt es etwas Neues?«
    Sie wisse nichts, gab sie mir kurz Bescheid und verband mich dann mit Madame Hélène. Ich bekam einen ausführlichen Lagebericht, der aber weiter nichts enthielt als die Tatsache, daß nichts geschehen war.
    »Und du?« fragte sie.
    »Was und ich?«
    »Was hast du erlebt?«
    »Nichts.«
    »Eine Schnapsidee von dir, dorthin zu fahren.«
    »Scheint mir auch so zu sein.«
    Am nächsten Tag jedoch zeigte sich, daß mein Instinkt nicht der schlechteste gewesen war. Am nächsten Tag, der beinahe mein letzter geworden wäre, geschah es.
    Wir hatten lange gefrühstückt, Amigo und ich, auf dem Balkon über dem See, hatten dann ein bißchen mit unserem netten Portier geplaudert und spazierten abermals durch Locarno. Es war sehr heiß. Die Sonne brannte gnadenlos vom blauen Himmel, und ich fragte mich, warum die vielen Leute gerade um diese Jahreszeit in den Süden fuhren. Aber ich war eben noch ein bißchen allergisch gegen allzuviel Wärme – das kam von Indien. Ich trank meinen Campari in einem der Lokale, die ihre Tische unter den Arkaden stehen hatten. Amigo saß brav und gelangweilt neben mir.
    Was nun? Noch mal nach Ascona fahren? Ich konnte ebensogut nach Hause fahren. Was hatte es für einen Zweck, hier die Zeit zu vergeuden? Ich zahlte, stand auf, ging ein paar Schritte und blieb dann am Straßenrand stehen, um zu warten, bis der Schutzmann den Übergang freigab. Da drüben auf dem Platz hinter dem Kurhaus hatte ich meinen Wagen geparkt, er würde schön durchwärmt sein. Wir würden noch mal nach Ascona fahren und morgen wieder nach Hause. Was erwartete ich hier? Daß Dorette alias eventuell Maria vom Himmel fiel? Direkt vor meine Füße?
    Ich hatte meine Finger lose um Amigos Halsband geschoben, ja, so etwas besaß er jetzt. Auch eine Leine, die ich vorsorglich in der Hand trug. Plötzlich riß er sich mit einem Ruck los und fuhr herum.
    Ich begriff erst gar nicht, was los war. Sah nur, wie er fortsauste, hinter einer weißgekleideten Dame her, die eben hinter uns vorbeigegangen oder aus einem Laden gekommen sein mußte, und dann, es ging alles so schnell, ehe ich den Mund auftun konnte, um ihn zu rufen, hatte er die Frau von hinten angesprungen, sie schrie auf, stürzte in die Knie, fiel auf die Seite und Amigo über ihr – da war ich schon heran, riß ihn zurück und ließ gleich wieder locker, als ich sah, wen ich da vor mir hatte. Schwarzhaarig, schwarzäugig, geschminkt und zurechtgemacht, sehr attraktiv, wenn nicht das fassungslose Entsetzen in diesem Gesicht gestanden hätte: Dorette!
    Sie lag am Boden, der Schrei stand noch auf ihren Lippen, sie starrte mich an. Amigo keuchte vor Wut. Ich hielt ihn, aber nur so, daß seine Schnauze ein paar Zentimeter über ihrem Gesicht war.
    Um uns bildete sich natürlich sofort ein Auflauf, empörte Rufe, Schimpfen, jemand schrie nach der Polizei. Man begann nach dem Hund zu treten, nach mir zu schlagen. Wir merkten es beide nicht.
    Ich beugte mich über sie. »Sieh da, Signorina! Welch ein Wiedersehen! Wo ist René? Schnell! Sagen Sie es schnell! Oder Amigo wird Ihnen das Gesicht zerfleischen, wie er es mit Jeannot gemacht hat. Ich kann ihn nicht länger halten.«
    Sie lag reglos, starrte mit verzerrtem Gesicht zu mir auf.
    »Schnell, eine Antwort! Wo ist das Kind?«
    Da fühlte ich mich von kräftiger Hand zurückgerissen, ein weißgekleideter Polizist stand hinter mir und brüllte mich zornig auf italienisch an, hob den Knüppel, um auf Amigo einzuschlagen. Ich ließ Amigo los, er wich geschickt zur Seite. Leute halfen Dorette auf, alles redete, schrie, es war ein furchtbares Durcheinander.
    »Signore!« donnerte mich der Polizist an – was er noch sagte, verstand ich nicht, denn von Italienisch waren mir nur ein paar Brocken geläufig.
    Aber ich sah immerhin, daß Dorette sich durch die Menschen drängen wollte, sprang vor, stieß den

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