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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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kleinen weißen Meldezettel, der immer noch verlassen und unausgefüllt auf dem Pult lag. Aber so weit hatte ich sie inzwischen eingeschüchtert. Sie sagte nichts mehr.
    »Budapest muß eine schöne Stadt sein«, sagte ich.
    Sie nickte. »Ja. Und bitte, Herr Ried, vergessen Sie nicht …«
    Ihr Finger deutete auf den Meldezettel.
    »Ich vergesse nichts. Aber sehen Sie, ich bin ein Mensch, der seine Handlungen wohl überlegt. Beziehungsweise auch seine Nichthandlungen. Solange ich den Zettel nicht ausgefüllt habe, kann ich immer wieder bei Ihnen aufkreuzen und bin mir Ihrer Aufmerksamkeit gewiß. Dagegen kann es sein, wenn ich den Zettel ausgefüllt habe, Sie hätten dann nicht das geringste Interesse an mir. Deswegen muß die Frage: Ausfüllen oder Nichtausfüllen wohl überlegt werden. Das sehen Sie hoffentlich ein?«
    Sie straffte sich ein wenig in den Schultern und erklärte gemessen: »In Ihrer Eigenschaft als Hotelgast können Sie meiner ständigen Aufmerksamkeit sicher sein.«
    Ich nickte befriedigt. »Freut mich zu hören. Aber wie, wenn ich gar kein Hotelgast wäre? Was dann?«
    Langsam trieb ich sie zur Verzweiflung. Die Lider über den hellgrauen Augen flatterten ein wenig. Aber sie antwortete genauso gemessen: »Das würde die Situation natürlich ändern.«
    »Sehen Sie! Deswegen zögere ich immer noch.«
    Ein Teufelskerl war ich heute morgen. Und während ich mich in dieser Rolle genoß, kam mir plötzlich der Gedanke, daß ich dieses ganze Theater mit der armen Ilona nur aufführte, um das Wiedersehen mit Annabelle hinauszuzögern. Ich hatte Angst vor dieser Begegnung. Angst davor, daß ich dann alles andere als ein Teufelskerl sein würde.
    Aber nun gerade – »Man sagt, die Ungarinnen seien besonders hübsche Frauen. Diese Fama scheint der Wahrheit zu entsprechen.«
    Ehe sie sich eine passende Antwort darüber überlegt hatte, passend für einen eventuellen doch Hotelgast, der sich nur unmöglich benahm, näherten sich vom Innern des Hauses her rasche, energische Schritte. Ich wußte, ehe ich mich umdrehte, wer da kam.
    »Walter! Bub!« rief Madame Hélène de Latour, als sie mich erkannte. »Da bist du ja! Grüezi daheim.«
    Sie streckte mir die Hand hin, und ich beugte mich mit meinen besten Sonntagsnachmittagsmanieren zu einem formvollendeten Handkuß darüber.
    »Das ist schön, daß du da bist. Gut siehst du aus. Ein Mann bist du geworden. Da wird sich Annabelle aber freuen.«
    »Ich freue mich auch. Und ich staune, was Sie alles fertiggebracht haben, Madame. Ein großartiges Hotel. Hätte ich das gewußt, wäre ich längst zu einem Urlaub hier aufgekreuzt.«
    »Ja, da staunst du, was?« Sie lachte vergnügt. »Weißt du, das hab' ich mir gewünscht, seit ich dieses alte Gemäuer zum erstenmal erblickt habe. Was für ein Hotel müßte das geben, hab' ich mir gedacht. Hast du dir denn schon alles angesehen?«
    »Noch nicht viel. Nur auf der Terrasse war ich. Und gestern abend im Park.«
    »Na, komm mit. Ich zeig' dir alles. Ein gutes Restaurant haben wir, exquisit, du wirst sehen. Heute abend essen wir zusammen. Und jetzt machen wir schnell einen Rundgang. Wir haben gar nicht viel umgebaut, hier unten jedenfalls nicht. Die größte Aufgabe waren die Zimmer. Die Installation der Bäder, und dann vor allem …«
    Munter plaudernd entführte mich Madame Hélène zu einem Rundgang, und wir ließen die arme Ilona, vermutlich nun restlos verwirrt, zurück.
    Madame de Latour war in ihrem Element. Ich brauchte nicht viel zu sagen, kam kaum dazu, ein paar Fragen dazwischenzuwerfen. Sie sah blendend aus, frisch und elastisch, die Ehe mit dem Hotel bekam ihr offensichtlich weitaus besser als die Ehe mit Roger de Latour.
    Erst im Rosengarten, in dem wir eine gute halbe Stunde später landeten, kam ich dazu, die Frage zu stellen, die mir am Herzen lag.
    »Ich habe gehört, Annabelle ist da. Kann ich sie wohl begrüßen?«
    »Sie ist nach Zürich gefahren. Sie holt eine Freundin in Kloten ab. Wart mal –«, Madame warf einen raschen Blick auf ihre Armbanduhr, »die Maschine soll um zwölf Uhr dreißig landen. Aber ich denke, daß die beiden in der Stadt essen werden. Am Nachmittag wird sie wieder hier sein. Sie freut sich so auf dich, Walter. Wir haben so oft von dir gesprochen.«
    »Wirklich?« Kam mir ganz unwahrscheinlich vor.
    »Ach, du weißt ja – Annabelle und du, es war so reizend, euch beide damals zu beobachten. So verliebt – mein Gott, es ist lange her, nicht? Aber Roger wollte nichts

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