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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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tun.«
    »Soll ich sie das fragen?«
    »Nein, ich spreche selbst mit ihr. Frag sie nur, wann sie Zeit hat.«
    Danach trat ich also, nach so vielen Jahren, wieder einmal durch das hohe, breite Portal des Schlosses Wilberg.
    Im vorderen Schloßhof parkten jetzt die Wagen der Gäste. Ohne Autos hatte mir der Schloßhof besser gefallen. Aber als ich ins Innere des Schlosses trat, blieb ich zuerst mal überrascht stehen. Donnerwetter! Wirklich vornehm hier. So stellte man sich ein Luxushotel vor. Die riesige Eingangshalle, die früher immer düster und leer gewesen war, machte sich großartig als Hotelhalle. Teppiche, tiefe Sessel, ein paar üppige Grünpflanzen, indirekte Beleuchtung.
    Geschickt hatte sie das gemacht. Dafür konnte sie schon einiges verlangen.
    Linker Hand war die Rezeption. Zwei Damen standen dort und hatten offensichtlich nach der Post gefragt, denn sie zogen gleich darauf mit Briefen in der Hand ins Freie.
    Und damit war der Blick freigegeben auf den Empfangschef des Schloßhotels Wilberg. Welch eine Überraschung!
    »Guten Morgen!« klang es mir entgegen.
    »Guten Morgen«, sagte ich und trat näher. »Erfreut Sie zu sehen.«
    Empfangschef, Portier und vermutlich auch Sekretärin in einer Person war niemand anders als die kühne Schwimmerin vom Abend zuvor. Das Mädchen namens Ilona.
    »Ich hoffe, Sie hatten eine gute Nacht«, sagte sie sachlich. »Darf ich Sie bitten – Herr Ried, nicht wahr? – Darf ich Sie bitten, sich einzutragen?«
    Hm. Schwieriges Problem. War ich nun Hotelgast oder Gast bei Tante Hille oder einfach zu Hause?
    »Ich weiß nicht, ob das nötig ist«, sagte ich und lächelte sie freundlich an. »Waren sie heute schon zum Schwimmen?«
    Sie blickte mich irritiert an. »Heute? Nein. Warum bitte soll es nicht nötig sein?«
    »Weil ich … ja, wissen Sie, eigentlich bin ich kein Hotelgast, wenn man es genau nimmt. Haben Sie noch nie von mir gehört?«
    Sie runzelte leicht die Stirn. »Warum sollte ich – wieso, was meinen Sie? Hatten Sie sich schriftlich angemeldet? Oder waren Sie zuvor schon hier?«
    »Beides, könnte man sagen.« Ich stützte meinen Ellenbogen auf das Empfangspult, lümmelte mich so hin und vertiefte mich in diese hellgrauen Augen, die mir gestern abend schon aufgefallen waren. Ein nettes Mädchen. Nicht mein Typ, aber nett. So eine Art Bibiana, könnte man fast sagen. Sehr tüchtig, sehr selbständig und selbstbewußt. Und komisch, daß war so eine Art altmodisch-männliches Rebellentum in mir, immer, wenn ich ein so tüchtiges und selbstbewußtes Mädchen sehe, bekomme ich Lust, ein bißchen an diesem Selbstbewußtsein zu rütteln.
    »Hübschen Job haben Sie hier. Und ich dachte gestern abend, Sie seien Hotelgast. Sind Sie schon lange hier im Haus?«
    Ich sah ihr an, es lag ihr auf der Zunge zu sagen: Was geht Sie das an? Aber so etwas sagt man nicht zu teuer zahlenden Hotelgästen. Sie lächelte ein wenig gezwungen und antwortete: »Noch nicht sehr lange. Seit einem Monat.«
    »Aha. Und es gefällt Ihnen?«
    »Sehr gut. Wenn ich Sie jetzt bitten dürfte …«
    »Schwimmen können Sie hervorragend. Kein Wunder bei so schönen langen Beinen. Da schwimmt es sich von selber.«
    Sie strich sich etwas nervös eine Strähne aus der Stirn, die gar nicht da war.
    »Herr Ried, bitte …«
    »Werden Sie auch einmal mit mir zum Schwimmen gehen?«
    Jetzt wurde sie aber gleich amtlich. Ihre Miene gefror, gleich würde sie die berufsmäßige Liebenswürdigkeit aufgeben. Sie legte mir energisch den Anmeldezettel hin und legte den Stift daneben. »Bitte!«
    »Danke, Fräulein Ilona. Sie heißen doch Ilona, nicht wahr? So jedenfalls sagte gestern der Kleine. Hübscher Name. Paßt gut zu Ihnen. Sind Sie Ungarin?«
    Ein Herr, der die breite Treppe von oben herunterkam, enthob sie der Antwort. Der Herr trat ans Pult. »Bonjour, Mademoiselle. Est-ce que vous avez mon journal?«
    »Bien sûr, Monsieur. Voilà, Monsieur.«
    Mittelalterlicher Franzose auf Kriegspfad. Ihm gefiel die grauäugige Ilona offenbar auch. Er verwickelte sie, ohne mich weiter zu beachten, in ein lebhaftes Gespräch. Zu ihm war sie weitaus liebenswürdiger als zu mir. Sie lächelte, gab ihre Antworten in einem raschen, sicheren Französisch, das nur einen kleinen Akzent hatte. Klang sehr reizvoll. Ich blieb stehen, drehte mich nur um, so daß ich die Halle übersehen konnte. Da hinten, gerade hinaus, ging der Gang an Bibliothek und Gartensaal, jetzt wohl Kaminzimmer und Restaurant, wie ich vom Prospekt

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