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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Zwang zu dulden. Daß ich eigentlich Deutscher war, hatte ich zunächst nicht ganz begriffen. Später dann, als ich älter wurde, war ich mir dessen bewußt. Und ganz besonders im Zusammenhang mit der Unfreiheit, die in dem Deutschland geherrscht hatte, das meine Mutter mit mir verließ, als ich ein kleiner Junge war. Ich wünschte damals brennend, so als Fünfzehn- und Sechszehnjähriger, es möge nun auch im Land meines Vaters die Zeit der Freiheit gekommen sein, und die Abfälligkeit, mit der man damals hier noch von Deutschland sprach, würde sich in Anerkennung und Freundschaft verwandeln.
    Als ich dann zum Studium nach Deutschland kam, erfüllte mich eine Mischung aus Neugier, Mißtrauen und Bereitschaft, das Gute zu finden und zu erkennen. Ich hatte Gutes und Schlechtes gefunden, manches, was mir besser gefiel als in der oftmals etwas engstirnigen Schweiz, und anderes, was ich entschieden ablehnte als unsolide, oberflächlich und unrecht. Und wenn ich heute so darüber nachdachte, kam ich zu der Erkenntnis, daß es wohl immer in meinem Leben so bleiben würde – ich gehörte beiden Ländern zu, fühlte mich beiden verbunden und hegte immer noch den Wunsch, sie mögen echte Freunde werden. Gerade weil es so vieles gab, was sie verband: Tüchtigkeit, Fleiß, Tapferkeit und ein schönes Land, das sie Heimat nannten.
    Über diesen ersprießlichen Gedanken war ich etwas eingenickt. Ein naher Donnerschlag ließ mich aufschrecken. Endlich schien das Gewitter zu kommen. Ich blickte zum Fenster, das ich offen gelassen hatte. Jetzt war der Himmel ganz dunkel, fast schwarz. Und dann fuhr ein greller Blitz ganz in der Nähe nieder, dem gleich darauf neuer Donner folgte. Fast unheimlich war es. Besonders weil dabei immer noch die Luft so still war, kein Wind, kein Tropfen Regen, nur wilde Blitze, die den Himmel zackig aufrissen, und der merkwürdig helle, krachende Donnerschlag, der darauf folgte. Unwillkürlich dachte ich an René. Ob er sich fürchtete? Nun er war im Hotel, seine Mutter war bei ihm, die Großmama auch, und das Schloß war fest und sicher gebaut.
    Aber dann fiel mir Amigo ein.
    Wo mochte sich der arme Kerl herumtreiben? Hoffentlich hatte er einen Unterschlupf gefunden. Auch die Pferde würden unruhig in ihren Boxen sein. Und dann, wie nicht anders zu erwarten, war ich wieder einmal bei Annabelle angelangt.
    Ich hatte sie seit dem gestrigen Morgen nicht mehr gesehen. Sie hatte nicht nach mir gefragt, mich nicht gesucht. Sie hätte ja beispielsweise heute einmal herüberkommen können ins Gutzwiller-Haus, nachdem ich allein geritten war, und mir etwas ausrichten lassen. Aber meine vorsichtige Anfrage beim Gretli, ob jemand nach mir gefragt hätte, war mit einem Kopfschütteln beantwortet worden.
    Annabelle hatte ihren Freund da. Oder Verlobten, oder Liebhaber, oder was immer dieser Mann darstellte. Sie hatte sich seither nicht mehr um mich gekümmert. Und was sollte ich tun? Grollend hier in meinem Bett verharren? Oder einfach heute abend einmal hinübergehen, in aller Selbstverständlichkeit?
    Wie ich hier so lag, war ich geneigt, ersteres zu tun. Mochte sie mit ihrem Pariser glücklich werden. Sie wußte, daß ich sie liebte, und wenn sie keine Verwendung für meine Liebe hatte, konnte ich es auch nicht ändern. Ich versuchte es wieder mit der Schweizer Historie. Aber es war so dunkel, daß man nicht lesen konnte, man hätte Licht anzünden müssen. Das wollte ich auch nicht. Ich stand also auf, stellte mich ans Fenster und sah mir das erstaunliche Schauspiel draußen an. Solche Blitze hatte ich nie gesehen. Und solchen Donner nie gehört. Nach einer Weile pochte es zaghaft an meine Tür. Das Gretli, etwas blaß um die Nase.
    »Das Fräulein Gutzwiller läßt fragen, ob du nicht herunterkommen willst und einen Kaffee trinken.«
    »Gern«, sagte ich. »Ich zieh mir bloß was an.«
    Anscheinend fürchteten sich die beiden ein wenig. Und das brachte mir in Erinnerung, daß sich Tante Hille – in allen Dingen die Unerschrockenheit in Person – immer vor Gewittern gefürchtet hatte. Der Großvater hatte sie ständig deswegen aufgezogen. Aber das half nichts. Sie verkroch sich tief in einen der grünen Sessel, und – das fiel mir auch wieder ein – es gab jedesmal Kaffee, sehr stark und sehr heiß, und einen oder mehrere Kognaks bei Gewitter. An diesem Ritus hatte sich offenbar nichts geändert.
    Es wurden eine ganze Menge Kognaks, bis das Schlimmste überstanden war. Es dauerte sage und schreibe noch

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