Der Mond im See
ständig irgendwo eingeladen. Oh, er läßt sich nichts abgehen. Wie er es macht, weiß ich auch nicht. Er hat eine Wohnung in Paris, er fährt einen großen Wagen, er ist gut angezogen, das haben Sie ja gesehen. Wo er all das Geld hernimmt, weiß ich natürlich nicht. Er pumpt die Leute an, solche Leute wie meinen Mann zum Beispiel. Oder diesen Amerikaner, den er jetzt dabei hat, sicher ist das ein wohlhabender Mann, sonst wäre Yves nicht mit ihm befreundet.«
Renate lachte ein wenig verlegen. »Sie müssen denken, ich sei eine ganz bösartige Klatschtante. Aber ich erzähle Ihnen das, damit Sie wissen, Sie brauchen sich von Yves und seinem arroganten Getue nicht einschüchtern zu lassen. Wenn Sie Annabelle lieben, dann nehmen Sie sie rasch aus diesem Leben fort. Machen Sie eine glückliche und normale Frau aus ihr. Heiraten Sie sie. Und ein Kind soll sie haben. Vielleicht können Sie dann sehr glücklich mit ihr werden. Ich wünsche es ihr.«
Hm. Das war natürlich alles sehr interessant für mich. Und wirklich halfen Renates Worte meinem etwas angeknacksten Selbstbewußtsein wieder auf die Beine. Annabelle und ich – war vielleicht doch noch nicht alles verloren?
»Ich muß jetzt hinaufgehen«, sagte Renate. »Ich habe keine Ruhe, wenn ich nicht sehe, ob René schläft.«
»Ich hoffe, er ist morgen wieder ganz gesund. Dann werde ich ihn spazierenfahren. Zu den Seerosen.«
»Er hat mir davon erzählt. Darf ich mitkommen?«
»Das wäre mir eine besondere Freude. Und den Seerosen auch.«
Sie wandte sich zum Gehen, doch dann blieb sie noch einmal stehen. »Übrigens, wir fahren nächste Woche hier fort.«
»Wirklich?« fragte ich erschrocken. »Warum? Gefällt es Ihnen nicht?«
»Es ist sehr schön hier. Aber es hat keinen Zweck. Ich habe keine Ruhe hier, und René muß wieder in die Klinik. Er ist noch nicht kräftig genug. Ich mache mir Vorwürfe, daß ich ihn dort herausgenommen habe.«
»Aber Sie haben doch diese Krankenschwester.«
»Dorette? Sie versteht nicht viel. Ich habe ihr schon gesagt, daß sie Montag gehen kann. Ich werde ihr den Monat auszahlen, und dann kann sie gehen. René mag sie nicht.«
»Und wohin fahren Sie dann?«
»Zurück nach München.«
»Nach München?« rief ich erfreut. »Aber dann werden wir uns wiedersehen.«
Im hellen Mondlicht sah ich ihr Lächeln. »Vielleicht. Ich bleibe vorerst dort. Meine Mutter hat da eine Wohnung.«
»Und ihr Mann …? Entschuldigen Sie, es geht mich nichts an. Sie wollen sich ernstlich von ihm trennen?«
»Ja. Die Scheidung läuft bereits. Ich hoffe, daß ich es bald hinter mir haben werde.«
»Und René?«
»René?«
»Hängt er nicht an seinem Vater?«
»Nein«, sagte sie hart. »Sein Vater hat ihn fast umgebracht.«
»Es war ein Unfall. Das kann jedem einmal passieren.«
»Ach?« Jetzt war ihre sanfte Stimme hell und böse. »Das kann passieren, mag sein. Aber in diesem Fall ist es anders. Jacques hat auch mich schon öfter beinahe umgebracht. Er fährt mit Vorliebe, wenn er betrunken ist. Und er betrinkt sich sehr gern. Und er fährt dann sehr schnell. Ganz egal, wer bei ihm im Wagen ist. Er tut immer nur das, was ihm beliebt, ohne Rücksicht auf andere. Nicht nur trinken und Auto rasen. Ob er junge Mädchen verführt oder mit verheirateten Frauen verreist, ob er seine Eltern beleidigt oder seine Frau kränkt und seinen Sohn fast tötet, das alles ist in Ordnung, wenn es ihm so gelegen kommt. Er kennt nichts als sich selbst und sein Vergnügen. Ein Mann mit immerhin fast vierzig Jahren.
Lange habe ich geglaubt, er käme zur Vernunft. Aber jetzt glaube ich nicht mehr daran. Ich bin diesem Leben nicht gewachsen. Auch wenn es ein Luxusleben ist. Ich verzichte auf den Luxus, ich brauche ihn nicht. Ich war glücklich, als ich noch meine Arbeit hatte. Und bei ihm war ich unglücklich. Ich dachte immer, ich müßte diese Ehe retten wegen René. Ich habe viel geschluckt, das können Sie mir glauben. Aber jetzt will ich nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich werde Jacques nicht wiedersehen. Nie. Und wenn es nach mir geht, wird René ihn auch nicht wiedersehen. Er soll ihn vergessen.«
Ich mußte daran denken, was René gesagt hatte. »Ich habe meinen Papi gern – er ist so lustig« und »Ich möchte gern meinen Papi wiederhaben.«
Sollte ich ihr das sagen? Nicht jetzt. Sie war zu erregt.
»Sie waren Pianistin vor ihrer Ehe, sagte mir Annabelle. Wollen Sie wieder in diesem Beruf arbeiten?«
Sie hob mutlos die Schultern. »Das wird
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