Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
Vom Netzwerk:
so, ich weiß auch nicht, warum. Und es ist gefährlich.«
    »Gefährlich?«
    »Ja, es passiert immer etwas an diesem Tag. Sie sehen es ja heute selbst.«
    »Was passiert?«
    »Irgend etwas. Die Leute sagen: Wenn der Mond im See schwimmt, kommt der Tod oder die Liebe.«
    »Der Tod oder die Liebe«, wiederholte sie leise.
    Sie sah mich an, und ich sah sie an. Es war hell genug, daß ich ihr Gesicht sehen konnte. Das verstörte, angstvolle Gesicht eines jungen Mädchens. Keine Kühle, verschlossene Miene mehr, keine eisig-spöttische Höflichkeit. Die dunklen Haare fielen ihr zerzaust in die Stirn, die Augen waren weit geöffnet, ihre Hand, die ich noch immer hielt, krampfte sich um meine Finger.
    Ich mußte mich zweimal räuspern, ehe ich reden konnte.
    »Also kommen Sie, gehen wir. Der Mond hat seine Schuldigkeit getan. Es ist genug passiert heute.«
    Doch plötzlich, ich hatte mich schon umgedreht, hielt sie mich fest.
    »Da!« Ein leiser Aufschrei.
    »Was denn?«
    »Sehen Sie doch da. Bei der Weide.«
    Unter der Weide lag etwas Dunkles, halb im See, halb auf dem Ufer. Es bewegte sich leise im auflaufenden Wasser, das etwas gestiegen war.
    »Warten Sie hier!« sagte ich.
    »Ich fürchte mich.«
    Ich fürchtete mich auch. Vielleicht waren doch Mörder im Gebüsch. Zumindest schienen welche hiergewesen zu sein. Ich tappte vorsichtig zur Weide, meine Füße sanken bei jedem Schritt ein, Wasser drang in meine Schuhe.
    Und dann sah ich, was da lag. Kein Mensch. Ein Tier. Amigo war es. Er hatte die Liebe zu seinem kleinen Freund mit dem Leben bezahlt. Ich konnte nicht genau sehen, was ihm angetan worden war. Er war über und über naß, und es war zu dunkel, um Blut zu sehen, auch würde es das Wasser weggewaschen haben.
    Ilona war mir nachgekommen. »Der Hund!« sagte sie.
    »Ja. Ich nehme an, er ist nachgelaufen, wie immer. Und als er gesehen hat, daß sie René wegschleppen wollten, hat er angegriffen. Und da haben sie ihn totgeschlagen. Oder geschossen. Man kann es nicht sehen.«
    »Und dann haben sie ihn ins Wasser geworfen.«
    »Ja.«
    Ungeachtet des nassen Bodens kniete sie nieder bei dem Hund, beugte sich über ihn, legte vorsichtig die Hand unter seinen Kopf, strich über sein Fell.
    Doch plötzlich fuhr sie auf. »Er ist nicht tot!«
    »Was?«
    »Nein, er ist nicht tot. Er ist kalt, aber nicht so kalt. Ich spüre, wie sein Herz schlägt. Ganz schwach nur. Aber es schlägt.«
    Ich kniete nieder und legte das Ohr auf das nasse Fell. Sie hatte recht. Amigo war nicht tot.
    Ich weiß heute nicht mehr, wie ich in das Schloß kam. Ich trug Amigo auf den Armen, und der war kein Schoßhündchen, sondern groß wie ein Kalb. Wenn auch dünn und mager.
    Ich taumelte nur noch in die Halle hinein, der Schweiß lief mir in den Kragen. Ich legte Amigo mitten auf den silbergrauen Teppich und setzte mich einfach daneben. Bis zu einem Stuhl zu gehen, war mir einfach unmöglich.
    »Sieh nach, ob der Ruedi noch da ist«, keuchte ich zu Ilona hinauf, »er soll ihn untersuchen.«
    Undeutlich sah ich irgendwo über mir Annabelles fassungslose Miene – Wachtmeister Schnyder, der vor Staunen den Mund offen hatte – hörte auch, daß der Kriminalrat irgend etwas zu mir sagte.
    Dann hörte und sah ich nichts mehr. Ich ließ mich einfach hintenüberfallen und schloß die Augen.
    Nicht etwa daß ich ohnmächtig geworden wäre. Ich war nur total erschöpft, einfach fertig. Aber es dauerte nicht lange, und ich war wieder imstande, mich am Zeitgeschehen zu beteiligen. Ruedi flößte mir irgend etwas ein, und kurz darauf saß ich wenigstens auf dem Teppich.
    Ilona hatte bereits berichtet, was wir erlebt hatten, und nun scharte sich alles um den armen Amigo, der von Dr. Lötscher sorgfältig untersucht wurde.
    »Wird er es überstehen?« fragte ich.
    »Ich denke schon«, meinte Ruedi. »Er hat einen Stich abgekriegt, muß ein langes Messer gewesen sein oder so etwas Ähnliches, das man ihm in die Brust gerannt hat. Ich nehme an, als er den Entführer ansprang. Und anschließend bekam er einen Schlag auf den Kopf. Ein Glück, daß man ihn nicht weiter ins Wasser hineingeworfen hat, dann wäre er natürlich ertrunken. Aber dazu blieb wohl nicht genug Zeit. Amigo war vermutlich sowieso ein Hindernis, das man nicht eingeplant hatte.«
    »Sind die Verletzungen schlimm?«
    »Nicht so sehr. Der Stich hat nicht das Herz getroffen und glücklicherweise auch nicht die Lunge, es ist eine Fleischwunde, die Waffe ist offensichtlich an einer Rippe

Weitere Kostenlose Bücher