Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Lena? Wir haben die Hafenkommandantur überrannt und es sieht aus als bekämen wir den Hafen unter Kontrolle. Die Haupttruppen aus dem Hafen leisten sich Gefechte mit unseren Mitstreitern, die aus Richtung Minenstadt zum Hafen vorzudringen versuchen. Vilanas Truppen. Sie brauchen dringend Entsatz, melden unsere Kundschafter! Also los!“
Es war momentan überhaupt nicht Lenas Sache bei der Hitze los zu sprinten. Als sie jedoch das Schlachtfeld erreichten, wünschte sie sich bald, sie hätte stattdessen noch ein wenig länger rennen dürfen. Lianta Xintall hatte hier sowohl Soldaten, als auch größere Einheiten von Hilfstruppen, hauptsächlich Matrosen, zusammengezogen und hielt durch geordnete Schlachtreihen den Vorsturm der Befreier auf. Ohne den Entlastungsangriff von hinten wären Vilana und ihre Mitstreiter dort allesamt niedergemetzelt worden. Auch so schien es zunächst, als könnten sie die Wende nicht herbeiführen.
Letztlich waren es die hinzueilenden Einwohner, die das Zünglein an der Waage darstellten. Sie waren weder kampferprobt, noch konnte man behaupten, dass sich gleich ganze Volksmassen zum Aufstand gesammelt hätten. Die Tatsache, dass noch mehr Menschen für ihre eigene Sache aufstanden, teils todesmutig kämpften, zumindest aber denjenigen, die versuchten sie zu befreien ihre Dankbarkeit bekundeten, reichte aus.
Von ihren engeren Mitstreitern, so stellte Lena fest, war Verena die Einzige, die, von Kratzern abgesehen, unverletzt geblieben war. Dabei hatte gerade Verena durch ihren effektiven aber waffenlosen Kampf und ihre Weigerung, tödliche Hiebe auszuteilen, besonders viele Gegner auf sich gezogen. Jetzt sah Lena mit großem Erstaunen, dass die Waldläuferin zwar außer Puste und dem Hitzetod nahe, doch ansonsten in tadellosem Zustand war. Nichts, was nicht von dem Wasser, das die Einwohner herbeischaffen, aus der Welt geschafft werden könnte. Was man von meinem Alf und mir selbst nicht behaupten kann.
„Es wird unangenehm, Calf!“, warnte Benthan Alfred. Alfreds gellende Schreie bestätigten das kurz darauf. Zwar hatte er keine größeren Schnittwunden abbekommen, doch war es im Kampfgetümmel mehreren Gegnern gelungen, ihn zu packen. Sie hatten nach Matrosenart mit Fäusten auf ihn eingeprügelt und ihm schließlich den Arm ausgekugelt. Offenbar war das Einrenken besonders unangenehm.
Lena selbst hatte einen heftigen Hieb mit einem Streitkolben an den linken Oberschenkel bekommen. Ihre robusten Lederhosen hatten verhindert, dass der Schenkel davon allzu stark aufgerissen werden konnte. Es ist wohl mehr so eine Art Prellung, dachte Lena. Allerdings eine Prellung, die bei manchen Bewegungen unvermittelt höllisch wehtut.
*
Verena kam langsam zu Atem. Jemand tippte ihr auf die Schulter. Beinahe hätte sie, der hinter ihr stehenden ´Angreiferin´, aus einem Reflex heraus die Kniescheibe zertrümmert. Gebrochene Arme und Beine hatte sie im vergangenen Kampf genug verursacht. Verena konnte sich gerade noch zurückhalten. Das Gefecht war vorbei, und dies war eine freundliche Geste gewesen.
„Hallo! Du bist H´Verena, richtig? Ich bin Voly. Kapitän Cerak hat mir erzählt, dass du eine Nachricht von meinem Großonkel Rakukuk für mich hast“, verkündete die Fremde, die, wie Verena auf den ersten Blick erkannte, zur Art der Roten Menschen gehörte, die hierzulande extrem selten war.
Verena fühlte sich einen Moment lang in weite Ferne versetzt. Rakukuk. Caaiulat. Die Stadt Valfian auf halbem Weg zum Süßwasserozean.
Dann besann sie sich auf ihre guten Manieren. „Es ist mir eine Freude, dich endlich kennenzulernen. Dein Großonkel ist ein alter Freund von mir. Ich soll dich ganz herzlich von ihm grüßen und drücken.“ Das tat Verena auch. Erstaunt stellte sie fest, wie gut es tat, jetzt ein wenig menschliche Nähe zu genießen. Dennoch ließ sie Voly wieder los und erklärte: „Rakukuk hat mir auch einen richtig dicken Brief für dich mitgegeben. Der liegt allerdings sicher in der Waldläufergilde. Es tut mir leid, dass ich ihn noch nicht abliefern konnte.“
Voly schüttelte den Kopf und lächelte: „Das hat noch Zeit, bis wir den Sieg erringen können. Jetzt brauche ich erst einmal eine saubere Binde und Verbände.“
Verena erkannte, dass die Frau eine größere Platzwunde am Kopf hatte. Auf der knallroten Haut war das ausströmende Blut auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Sieht allerdings nicht richtig gefährlich aus und fertig ist sie deswegen auch
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