Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
verfolgte seine Bewegungen mit dem Feldstecher bis weit hinab ins Tal, bevor sie es aus den Augen verlor.
Trotzdem hinterließ sie zur Sicherheit noch eine in den Fels gekratzte Warnung für Sven und ordnete auf dem weiteren Weg nach unten erhöhte Aufmerksamkeit, mögliche Gefahren betreffend an.
Die zweite Mahnung war ein simpler Geröllhaufen. Eriks Grab. Auf dem Weg nach oben waren sie, ohne dass eine Absicht dahinter steckte, darum herumgestiegen. Doch jetzt sahen Lena und ihre Gefährten in unvermittelt wieder vor sich liegen.
Kontakt und Trennung
Verena stolperte seit der letzten Pause nur so daher. Alex und Lisa mussten sie regelrecht mitschleifen, und sie fühlte sich mehr tot als lebendig. Bernd, vielleicht könnten wir uns darauf einigen …. Nein so würde es nicht gehen. Bernd, vielleicht wäre es besser, wenn du nicht allein der Anführer wärest. Nein. Feige. - Bernd du bist eine Katastrophe als Anführer. Bernd, du bist ein Schwein. - Bernd, wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir alle zusammen entscheiden sollten, wie wir am besten weiter vorgehen sollten. - … Sobald du dich bereit fühlst …. Sobald ich mich bereit fühle.
Lisa vertraute Verena leise und nicht ohne eine gewisse Verlegenheit an, dass sie neuerdings Würmer in ihrem Stuhl habe und an leichten Bauchschmerzen litt, doch das wurde von niemandem kommentiert.
Lieber Bernd, wie wäre es …. - Nein, nicht wieder diese Kriechtour. Wie soll ich ihm entgegentreten, wenn ich schon in Gedanken vor ihm krieche? Bernd, ich will nicht, dass du länger Anführer bist! Das ist doch, was ich sagen müsste. Ganz einfach, mehr wäre nicht nötig. Warum kann ich das nicht aussprechen?
Sie waren an einer Engstelle angelangt. Der breite Querstamm auf dem sie liefen war an den Rändern weggerottet, und einige Büsche wucherten hier und dort darauf. Lisa ging voraus, während Alexander weiter versuchte, Verena zu stützen. Lisas Hose ist hinten ganz rot. Blut. Das können nicht ihre Tage sein. Sie hat mir erzählt, wie regelmäßig die wären und dass sie gerade erst vorbei seien. Sie blutet aus dem Po. Wahrscheinlich die Würmer. So überlebt sie diesen Marsch vielleicht noch weniger lang als ich.
Etwas in Verenas Kopf zerbrach bei diesem Gedanken. Sie hörte, wie jemand laut herausschrie: „Bernd! Du bist kein Anführer, sondern ein Dreckschwein! Du bist ein Dreckschwein, seit wir uns kennen! Du bist ein Tyrann! Was glaubst du, wer du bist, dass du uns in den Ruin treiben darfst?! Die Anderen wollen nur, dass wir alles gemeinsam entscheiden. Ich will dein Blut an meiner Faust sehen! Hörst du! Es macht mir nichts, wenn du draufgehst! Es ist mir egal, wenn ich dabei krepiere! Komm her, wenn du dich traust!“
Das hatten natürlich alle gehört. Den eigenen Ohren zu trauen dauerte etwas länger. Verena brauchte einen Moment, bis sie begriff, wer da geschrien hatte – nämlich sie selbst. Dann war sie gleich noch ein zweites Mal verblüfft, als sie feststellte, dass sie ihre Worte ernst gemeint hatte.
Alex und Lisa waren ob des plötzlichen Ausbruchs zu perplex, um zu beschwichtigen oder irgendwas von den Dingen zu sagen, die sie sich zurechtgelegt hatten. Mira wandte sich um, und zum ersten Mal seit Langem sah man die Spur eines Lächelns auf ihrem Gesicht.
Auf Bernds Reaktion war niemand vorbereitet. Verena hatte sich alles Mögliche ausgemalt von Herumschreien über persönliche verbale Angriffe, ja sogar rohe Gewalt hatte sie nicht ausgeschlossen, so fanatisch hatte er in der letzten Zeit seine Stellung behauptet. Nie hatte sie auch nur einen Augenblick daran gedacht, dass Bernd einen solchen Ausdruck von Erleichterung, Dankbarkeit und Schuld zur Schau tragen könnte und erst recht nicht daran, dass er daraufhin in Tränen ausbrechen würde und Töne von sich geben könnte, die alles zwischen Verzweiflung und – ja – Freude darüber, dass etwas Falsches hier endete, ausdrücken konnten.
Verena war perplex, wie alle Anderen. Ich hätte ihn zusammengeschlagen, wenn er sich auf eine Konfrontation eingelassen hätte. Jetzt ist er mir dankbar?! Was soll ich denn jetzt nur tun. Ich würde am liebsten hingehen, ihn in die Arme nehmen und trösten. Das kann doch nicht Bernd sein, der da vorne weint. Was soll ich machen? Irgendwer muss was tun, sonst flenne ich gleich los. Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Jetzt muss jemand anderes was sagen.
Plötzlich schrak Bernd auf. Außer der unerfahrenen Lisa musste allen sofort klar
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