Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
ich dir, ehrlich gesagt, nicht sagen. Aber angesichts der Lage würde ich nicht auf irgendetwas Positives wetten. Wenn man es genau nimmt, ist die Realität ein Packen Möglichkeiten – manche sind möglicher als andere. Aber wenn das Chaos zur Tatsache wird, dann ist diese Tatsache normalerweise das Nichts.«
»Also gut«, sagte sie. »Ich gehe rein. Wünscht mir Glück.«
Das taten sie. Bis auf Vorm, der eben damit beschäftigt war, einen Bus herauszuwürgen.
Sie fuhr weiter und warf im Rückspiegel noch einen letzten Blick auf ihre außerdimensionalen Flüchtlinge. Sie dachte darüber nach, ob es weise war, freiwillig an einen Ort zu fahren, an den unsterbliche Schreckensgestalten vor Angst keinen Fuß setzten. Aber sie war schon so weit gekommen.
Das Tor zu dem Anwesen öffnete sich von selbst für sie. Sie wusste, es war vermutlich ein automatisches System oder wurde von einem Sicherheitsdienst per Fernbedienung gesteuert, aber gleichzeitig war es geheimnisvoll und andersweltlich. Eine Welle von Hitze und Kälte traf sie, als sie auf das Grundstück fuhr. Das Tor schloss sich hinter ihr, und über ihrem rechten Auge setzte ein stechender Schmerz ein. Die Hitze verschwand. Die Kälte blieb.
Draußen war es Mittag gewesen, aber auf dieser Seite des Tors brach die Abenddämmerung herein. Der Vollmond ergoss ein helles blaues Licht über den Himmel. Fenris glitzerte wie ein feuchter Smaragd.
Das üppige Grün neben der Auffahrt bestand aus einer seltsamen Mischung aus traditioneller Begrünung und merkwürdigen Pflanzen, die sie nicht kannte. Dinge lauerten in den Schatten. Ihr Instinkt sagte ihr, sie seien keine Gefahr. Nur substanzlose Schatten, die zwischen den Realitäten gefangen waren.
Irgendwann erreichte sie das große Haus im Zentrum des Ganzen. Sharon saß auf der Veranda und wartete auf sie.
Der stechende Schmerz über Dianas Auge breitete sich über ihre ganze Kopfhaut aus.
»Tut mir leid, dass ich so spät komme«, sagte sie. »Ich wurde aufgehalten.«
Sie schüttelten sich die Hände. Es war eine unbeholfene Geste. Irgendetwas an diesem Ort kennzeichnete Diana im besten Fall als Außenseiterin, im schlimmsten als Eindringling.
Sharon führte Diana ins Haus. Sie gingen durch den Vordereingang, einen Flur entlang und in ein Esszimmer hinein, in dem Greg gerade aß.
»Ah, schön, dich wiederzusehen, Diana.« Er klang nicht aufrichtig.
Er bot ihr etwas an. Sie lehnte ab. Seit sie das Anwesen betreten hatte, war ihr der Appetit zum ersten Mal seit langer Zeit vergangen. Es hätte ein willkommenes Gefühl sein können, wäre da nicht das sonderbare Prickeln und Stechen auf ihrer Haut gewesen.
»Danke, dass ich kommen durfte«, sagte sie.
»Oh, kein Grund, mir zu danken. Sharon hat sich sehr für dich eingesetzt.«
»Diana macht sich Sorgen«, sagte Sharon. »Ich hatte gehofft, du könntest ihr weiterhelfen.«
Greg lächelte, während er etwas Paté auf einem Cracker verteilte. »Sorgen sind nur natürlich. Du bist schließlich auch bloß ein Mensch, nicht wahr?«
Er lachte. Die Frauen stimmten unbehaglich ein.
»Was geht dir im Kopf herum, Diana?«
Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, doch der Druck, den die Atmosphäre auf sie ausübte, erschwerte das. Ganz zu schweigen davon, dass sie ehrlich nicht wusste, wie sie ihre Bedenken in Worte fassen sollte.
»Es ist Calvin. Dir ist schon klar, dass er die Welt zerstören wird, oder?«
Greg grinste gönnerhaft. »Ach, das ist dein Problem. Glaubst du wirklich, dass das passieren wird? Kein Wunder, dass du so besorgt bist.«
Er nahm einen Schluck Wein, allerdings mit quälender Langsamkeit. Er nahm das Glas, wirbelte die Flüssigkeit herum, roch daran, nahm einen ganz kleinen Schluck und setzte das Glas mit roboterhafter Präzision wieder an seinem ursprünglichen Platz ab.
»Fenris wird die Welt nicht zerstören. Er wird sie reinigen. Er wird alles Unnötige entfernen und uns etwas Besseres, Schöneres und Roheres hinterlassen.«
Er verengte die Augen. Sein Grinsen wurde sichtlich finster.
»Etwas Ursprünglicheres.«
»Bei allem gebotenen Respekt«, sagte Diana wütend, »was zum Henker soll das heißen?« Sie hatte diesen vage philosophischen Unsinn dermaßen satt.
Greg war verblüfft. »Bisher bin ich mehr als entgegenkommend gewesen, aber es ist klar, dass du es nicht kapierst. Vielleicht fehlt dir die Fähigkeit, die Feinheiten …«
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht unhöflich sein, es ist nur so
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