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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sie mochte Geheimnisse, auch wenn es, wie sie gesehen hatte, so eine Sache war, sie zu wahren.
    »Und wo wollen wir uns treffen?«, fragte sie.
    »Sag du es mir! Ich nehme an, dass du nicht allein von hier weg darfst, oder?«
    Helen überlegte. Wo konnte sie sich mit ihrer neuen Freundin verstecken und das Geigespielen üben?
    Da fiel ihr etwas ein. Diesen Ort hatte sie bisher nur ein einziges Mal aufgesucht, weil er eigentlich nicht zu ihrem Grundstück gehörte, sondern zu dem ihres Nachbarn, der seinen Garten verwildern ließ. In ihrer Erinnerung hatte sich das Bild eines kleinen Pavillons festgesetzt, der jetzt wieder vor ihrem geistigen Auge erschien. Genau dorthin musste sie mit der fremden Frau gehen!
    »Ich weiß einen Ort. Aber den muss ich dir zeigen, den findet man nicht so leicht.«
    »Ist er bei euch im Garten?« Die Frau wirkte, als wäre sie darüber nicht gerade froh.
    »Nein, außerhalb. Geh einfach am Zaun entlang, bis du zu einer Hecke kommst. Dort treffen wir uns.«
    Helen huschte durch das Gestrüpp. Zielsicher fand sie die Lücke zwischen Zaun und Hecke, durch die man auf das andere, verwahrloste Gelände kam.
    Helen spähte durch die Lücke, und da ihre Freundin sich noch etwas Zeit ließ, warf sie einen Blick auf das weiße Holzhaus, von dem die Farbe in großen Fladen abblätterte. Wohnte da überhaupt noch jemand? Die Fenster wirkten wie traurige Augen. Wahrscheinlich fühlte sich das Haus ohne Bewohner einsam.
    Als es hinter ihr raschelte, wandte sich Helen um. Da erschien die Frau, ziemlich außer Atem, als wäre sie gerannt. Aber das hatte sie nicht getan, denn sonst wäre sie gewiss schneller gewesen.
    »Das ist also dein geheimer Ort«, sagte sie, während sie sich mit einem Taschentuch die Stirn abtupfte. Helen bemerkte nun, dass die Lippen der Frau so blau waren wie die Heidelbeeren, von denen sie in einem ihrer Bücher ein Bild gesehen hatte.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt, denn noch nie hatte sie einen Menschen mit blauen Lippen gesehen.
    »Ja, es geht schon wieder«, sagte die Frau dann, allerdings in dem Tonfall, wie ihre Mutter immer sagte, dass alles in Ordnung sei, wenn sie Kopfschmerzen hatte.
    »Und gefällt es dir hier?«
    Die Frau blickte auf das Haus. »Sieht ein wenig gruselig aus. Hast du denn keine Angst?«
    »Wir sollen ja auch nicht hier üben. Komm, ich zeig es dir!« Damit fasste sie die Frau bei der Hand und zog sie mit sich durch das Gras, das so hoch war, dass sie selbst darin fast vollständig verschwand. Obwohl es ihr ein wenig die Sicht versperrte, fand sie wenig später den Pavillon, der nicht wesentlich fröhlicher wirkte als das Haus. Aber vielleicht würde es ihn mit Leben füllen, wenn er wieder regelmäßig besucht wurde.
    »Das ist es!«, sagte Helen und deutete glücklich auf das Gebäude, dessen Seiten mit dünnen Bretterwänden verkleidet waren.
    »Und glaubst du wirklich, hier ist es sicher?«
    »Ja, nicht mal meine Mama hat mich hier gefunden. Wenn wir nicht zu laut sind, wird niemand merken, dass wir hier sind.«
    »Also gut, dann treffen wir uns hier. Sagen wir, jeden Dienstag- und Donnerstagnachmittag? Ich werde hier warten, bis du kommst, einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Und die Geige bewahrst du gut auf, so gut, dass niemand sie finden kann?«
    Helen nickte eifrig.
    »Bist ein braves Mädchen.« Die Frau strich ihr liebevoll über die Wangen. »Aber jetzt wirst du wohl wieder ins Haus zurück müssen.«
    »Und du kommst wirklich wieder?«
    »Versprochen. Und diesmal lasse ich dich nicht so lange warten. In zwei Tagen ist Donnerstag, dann werde ich da sein.«
    Erfreut drückte Helen den Geigenkasten an sich, dann verabschiedete sie sich von ihrer Freundin und lief mit leichtem Herzen zum Haus zurück. Allerdings nahm sie nicht den Vordereingang, wo Miss Hadeland vielleicht schon wartete. Sie huschte durch den Dienstboteneingang, dann die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf und verstaute mit klopfendem Herzen die Geige unter ihrem Bett.
    Dann trat sie wieder nach draußen. Vielleicht sollte sie sich schon mal nach einem Ort umsehen, an dem sie heimlich üben konnte? Vor dem Dachboden hatte sie sich stets ein bisschen gegruselt, aber die Geige würde sie vielleicht beschützen, und mit ihrer Musik konnte sie die Geister, die dort oben hausten, vertreiben …
    Doch bevor sie die Treppe, die zum Dachboden führte, erreichte, ertönten Schritte hinter ihr.
    »Wo warst du denn, Helen?«, fragte Ivy Carter vorwurfsvoll, als sie ihrer

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