Der Mondscheingarten
Augenblick ebenfalls gehegt hatte.
»Man könnte es schon, aber es fehlen leider die Gelder dafür. Außerdem haben einige Menschen hier noch immer ein gespanntes Verhältnis zur Kolonialzeit. Die Erforschung und Präsentation der Kultur der Minangkabau erscheint den staatlichen Stellen wichtiger.«
Fast hörte es sich so an, als würde sie das ein wenig bedauern, obwohl auch sie sicher den Minangkabau angehörte.
»Und was werden wir in dem Wochenendhaus finden?«, fragte Lilly. »Lagern Sie dort ungeordnete Bestände?«
»Das kann man so sagen. In dem Gebäude befinden sich noch etliche Kisten, die wir hier noch nicht unterbringen konnten. Es gibt einen Wächter, der auf das Haus und seinen Inhalt achtgibt. Wenn Sie ihm sagen, dass ich Sie geschickt habe, wird er Sie reinlassen.«
»Vielen Dank, das ist sehr nett«, entgegnete Lilly und versuchte, nicht wie jemand zu grinsen, der vorhatte, Großmutters edles Porzellan zu klauen. Das Haus, in dem Rose ein Konzert gespielt hatte! Das Haus, in dem sie vielleicht schon Paul Havenden getroffen hatte. Würde man ihren Geist dort spüren? Selbst wenn dort in den Kisten nur durchgeweichter Plunder lag, würde sich die Reise dorthin lohnen, da war sie sicher.
»Und? Wollen Sie sich das Haus des Gouverneurs ansehen?«, fragte Verheugen, als sie das Museum wieder verließen. Inzwischen dämmerte der Abend herauf, die Luft wurde merklich feuchter.
»Ja, auf jeden Fall. Vielleicht finde ich den Zugang zur Terrasse, die auf dem Zeitungsfoto abgebildet war.«
»Ganz sicher. Wenn der Wächter oder baufällige Decken Sie nicht davon abhalten.«
»Allerdings brauche ich jemanden, der mich hinfährt.«
»Dieser Jemand steht vor Ihnen«, behauptete der Zahnarzt.
»Wirklich?« Lilly hob zweifelnd die Augenbrauen. »Habe ich Ihnen noch nicht genug Zeit geraubt?«
»Das betrachte ich nicht als Zeitraub, sondern als Zeitvertreib. Wir können meinetwegen hochfahren und nachsehen, ob wir etwas finden. Und wenn Sie jetzt das schlechte Gewissen plagt, so können Sie mich ja heute zum Essen einladen, wie wär’s?«
»Wenn Sie mir sagen, wo wir hingehen? Ich kenne mich ja gar nicht aus.« Lilly dachte an Gabriel und hoffte, dass das Abendessen mit ihm schon bald nach ihrer Rückkehr endlich stattfinden würde.
»Es gibt in der Nähe Ihres Hotels ein sehr gutes Lokal, in dem man hervorragendes Rendang bekommen kann. Oder gleich ein ganzes Makanan Padang.«
»Und was ist das?«
»Man muss sich das Makanan Padang als eine Art Buffet vorstellen, man bekommt verschiedene Schüsseln vorgesetzt, die verschiedene Sorten scharf gewürztes Fleisch, Gemüse und Reis enthalten. Sie suchen sich etwas aus und zahlen dann nur das, was Sie gegessen haben.«
»Klingt interessant.«
»Ist es auch, aber in manchen Lokalen muss man ein bisschen auf die Preise achten. Mit Rendang können Sie nichts falsch machen, es besteht aus Rind, ist auch sehr scharf und wird mit Reis gegessen. Ich hoffe, Sie haben einen guten Magen.«
»Eigentlich schon«, entgegnete Lilly, die sich tatsächlich nicht vor scharfem Essen fürchtete. Damals hatte sie mit Peter beinahe jedes indische oder thailändische Restaurant besucht und sich im Gegensatz zu ihm als sehr schärferesistent erwiesen.
»Gut, dann würde ich vorschlagen, ich hole Sie in einer Stunde ab, und wir belohnen uns für all die Mühe und den Papiermuff.«
In dem Lokal, das Verheugen empfohlen hatte, drängten sich um diese Zeit die Menschen, also musste es tatsächlich gut sein. Allerdings hatte das den Nachteil, dass auf Anhieb kein freier Tisch zu haben war.
Ihnen blieb also nichts anderes übrig, als sich in die Schlange der Wartenden einzureihen.
»Wenn wir Glück haben, geht es schneller, als man denkt«, sagte der Zahnarzt, und Lilly wünschte sich in diesem Augenblick ein Stück von seiner Zuversicht. Irgendwie schien für ihn nie etwas ein Problem zu sein. Wenn er warten musste, vertrieb er sich die Zeit eben mit Beobachtungen oder Gesprächen.
Doch Lilly spürte allmählich, wie etwas von diesem Geist auch in ihre Person einsickerte. Hätte sie in Deutschland vor einem überfüllten Lokal sofort kehrtgemacht, stand sie nun hier und dachte nicht im Traum daran, wieder ins Hotel zurückzugehen. Sie sog die Düfte und die Klänge ein, die Stimmen und Farben, denn einige der Einheimischen waren in traditionelle bunte Sarongs gekleidet.
Andere trugen weiße Hemden und Hosen, die Frauen bedeckten ihr Haar fast ausnahmslos mit bunten
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