Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
undeutliche, mondbeschienene Landschaft schauen konnte. Das Schwarzweißfoto ließ nur ahnen, was das für ein wunderbarer Anblick gewesen sein musste.
    Lilly staunte über die Aufnahmen, während Verheugen ihr den Artikel übersetzte.
    Darin hieß es, dass Rose Gallway auf Einladung des Gouverneurs zum jährlichen Empfang der Pflanzer der Gegend gespielt hatte. Wie mochte der Empfang ausgesehen haben? Welche Farben hatten die Kleider der Anwesenden gehabt? Auf einmal kam sie sich wieder vor wie in der Kinderzeit, als sie noch keinen Farbfernseher hatten.
    Die nächsten Artikel waren vorwiegend Konzertkritiken, die Roses Musik und ihr Erscheinungsbild in vollen Zügen lobten, offenbar war ganz Padang entzückt von ihr.
    Doch dann zauberte Verheugen einen Knaller aus dem Folianten.
    »Kann das sein?«, fragte Lilly, während sie das Zweierporträt inmitten des recht kleinen Artikels betrachtete. Die Bildunterschrift verriet, wer der Mann an Roses Seite war.
    »Was meinen Sie?«, fragte Verheugen nach.
    »Das hier ist Paul Havenden. Lord Paul Havenden.«
    Das Gesicht des Mannes war der Kamera größtenteils abgewandt, was Lilly schade fand – dieser Mann war immerhin derjenige, der Rose zu seiner Geliebten machen und sie schwängern würde. Rasch markierte sie diesen Artikel für eine Kopie und freute sich diebisch über das Bild.
    »Ah, der Vater des unbekannten Kindes«, setzte Verheugen dazu und schnaubte entrüstet. »Ich kann die Frau echt verstehen, dass sie ihm einen Brief geschrieben hat. Wäre ich das gewesen, hätte ich ihm aber die Leviten gelesen!«
    »Vielleicht gibt es eine Erklärung für sein Verhalten.«
    Der Zahnarzt schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er hat seine Geliebte geschwängert und sich dann verzogen, davon bin ich überzeugt.«
    Lilly betrachtete das ebenmäßige Gesicht des jungen Mannes, die schönen Augen, die sie ein klein wenig an Gabriel erinnerten. Hatte Paul Havenden vorsätzlich gehandelt? Hatte er Rose vergessen, als er zurück in England war? Oder hatte es Zwänge gegeben, aus denen er sich nicht lösen konnte?
    »Bevor wir ihn verurteilen, sollten wir die ganze Geschichte herausfinden«, sagte Lilly, noch immer erfreut über ihren Fund. Gabriel wird bestimmt begeistert sein, dachte sie.
    Bis zum Abend hatte sie noch weitere Zeitungsausschnitte von Roses Auftritten, einen Bericht über ihre Garderobe vom Abschiedskonzert und vom Unfalltod ihres Vaters. Auf den Seiten der Kirchenbücher war allerdings nie der Name Gallway aufgetaucht.
    Was hast du denn erwartet?, fragte sie sich selbst. Dass du das Rätsel gleich am ersten Tag lösen wirst? Sei zufrieden, dass du ein Bild ihres Geliebten zusammen mit ihr hast. Gabriel wird sich sicher sehr freuen!
    Sehr wahrscheinlich war, dass die Niederländer, als sie sich von der Insel zurückziehen mussten, eine Vielzahl an Do­kumenten mitgenommen hatten. Was Rose Gallways Tochter anging, war vielleicht ein Besuch in Amsterdam besser. Wenn es koloniale Unterlagen gab, wurden diese sicher in ­einem Museum für Kolonialgeschichte aufbewahrt.
    »Es tut mir sehr leid, dass Sie nicht viel gefunden haben«, erklärte die stellvertretende Museumsleiterin, als sie die Unterlagen wieder zurückbrachten.
    »Wir haben doch so einiges zutage gefördert«, antwortete Lilly lächelnd. »Haben Sie vielen Dank, dass wir uns die Zeitungen ansehen durften.«
    »Wenn Sie noch weitere Unterlagen aus der niederländischen Zeit ansehen möchten, sollten Sie im ehemaligen Wochenendhaus des Gouverneurs vorbeischauen.«
    »Wochenendhaus?«, wunderte sich Lilly, dann fiel bei ihr der Groschen. Offenbar war dies das Haus, von dem auf dem Foto in einem Artikel die Terrasse zu sehen war. Das Haus, in dem Rose Gallway gespielt hatte.
    »Das ist sehr modern ausgedrückt, ich weiß. Mir fiel kein besseres Wort ein. Gearbeitet hat der Gouverneur natürlich hier in Padang, doch er hatte einen Landsitz außerhalb der Stadt, wo er seine Empfänge abhielt. Auch dieses hat die Erdbeben einigermaßen gut überstanden. Allerdings findet sich seit Jahren niemand, der es kaufen würde. Wenn es weiterhin leer steht, wird es eines Tages abgerissen werden müssen.«
    »Kann man das denn so einfach?«
    »Ich fürchte schon. Zwar gibt es auch hier so etwas wie eine Denkmalpflege, doch wenn Gebäude zu stark beschädigt sind, werden sie eben abgerissen.«
    »Und lohnt es sich nicht, daraus ein Museum zu machen?«, sprach Verheugen den Gedanken aus, den Lilly in diesem

Weitere Kostenlose Bücher