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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Nachkommenden erklärt, warum ich so gehandelt habe, wie ich es tat.
    Seit mir der Doktor die Diagnose gestellt hat und ich weiß, wie wenig Zeit ich noch habe, bin ich nur noch von einem Gedanken beseelt: meinen Fehler von damals wiedergutzu­machen.
    All die Jahre habe ich mir Vorwürfe gemacht. Ich mochte vielleicht den großen Skandal vermieden haben, wofür ich Mijnheer van Swieten zunächst sehr dankbar war. Doch der Preis dafür war Leere, Einsamkeit. Der Verlust meiner Fähigkeiten. Mein Abstieg. Vertrauen hatte ich zu den Menschen kaum noch, Männern gegenüber hegte ich Gefühl­losigkeit.
    Und doch ist es jetzt wieder ein Mann, der mir neue Hoffnung gibt. Er ist vollkommen anders als jene, die in mir nur die schöne Frau sehen, deren Bild sie beim Ausleben ihrer schmutzigen Begierden begleitet.
    Cooper Swanson ist der wohl unattraktivste Mann, den ich kenne, und gerade das gibt mir Vertrauen. Er redet nur so viel wie nötig, hört dafür aber lange und ausdauernd zu und gibt einem das Gefühl, dass sein Verstand jedes Detail aufsaugt wie ein Schwamm.
    Er ist bereit, meinem Wunsch zu entsprechen. Auch wenn es schwierig sein wird. Van Swieten ist seit drei Jahren tot – und gibt es wirklich Unterlagen über die damaligen Vorgänge? Ich bezweifle das. Man hat sicher alles getan, um keine Spuren zu hinterlassen.
    Aber ich will von vorn beginnen. Am Scheideweg meines Lebens, auf dem ich, ohne es zu wissen, den falschen Pfad eingeschlagen habe.
    Nachdem mein Vater bei dem Hafenunfall ums Leben gekommen war, wurde das Leben für meine Mutter und mich anders. Ich bereitete mich auf den Fortgang meiner Tournee vor, ohne eine Ahnung zu haben, ob ich sie auch wirklich durchstehen könnte. Meine Mutter begann, Vorbereitungen für ihre Rückkehr in ihr Heimatdorf Magek zu treffen. Da die Wohnung ihr nur noch ein paar Monate gehören würde – ein neuer Hafenmeister war bereits gefunden –, schickte sie einen Boten in ihr Dorf, um der Alten, die sie aufgesucht hatte, bekanntzugeben, dass sie ihren Platz im Dorf bei ihrer Familie einnehmen würde.
    Beim Abschied weinte ich bittere Tränen darüber. Während meiner Reisen hatte es immer sehr gut getan zu wissen, dass sie da war, in dem kleinen Haus am Hafen. Nun würde ich, wenn ich sie sehen wollte, weit in den Dschungel reisen müssen – unmöglich bei dem Zeitplan, den Carmichael mir aufgestellt hatte.
    Wir trennten uns einen Tag bevor mein Schiff fuhr, denn aus dem Dorf hatte man bereits einen Ochsenkarren geschickt, um sie abzuholen.
    Wieder legte sie mir ans Herz, auf selbiges zu hören, wenn ich vor einer Entscheidung stünde. In Unkenntnis der Lage, in der ich mich bereits befand, versprach ich es ihr und blickte dann weinend dem Karren nach, der mit ihr im Dschungel verschwand.
    Voller Schmerz und Sehnsucht, voller Unlust und Ungewissheit bestieg ich schließlich die MS Flora, die uns nach Indien bringen sollte.
    Schon während der Überfahrt begann ich, mich seltsam zu fühlen. Meine Stimmungen schwankten wie das Schiff im Seegang. Mal rauf, mal runter. Mal erschien mir meine Garderobiere Mai als das liebenswürdigste Wesen der Welt, mal verabscheute ich sie zutiefst und jagte sie davon, wenn sie mir die Haare richten wollte. Ich konnte mir denken, wie sie gegenüber Carmichael über mich sprach. Sie hielt mich für eine rasende Verrückte. Und Carmichael? Nein, recht gegeben hat er ihr sicher nicht. Er hatte schon mit einigen Künstlern zusammengearbeitet und wusste, dass viele von ihnen überspannt waren.
    In meinem Fall glaubte er wohl, dass die zurückliegenden Ereignisse meinen Zustand bedingten. So ließ er mich gewähren, wenn ich tobte, er sagte nichts, wenn ich Mai ohrfeigte, und ließ sich nicht blicken, wenn ich schlechte Laune hatte. Ich selbst aber wusste, dass etwas in mir vorging, etwas, das mich wie eine Marionette steuerte und mich dazu brachte, mich unmöglich zu benehmen. Sonst wäre ich kaum zu solch einem furchtbaren Drachen geworden.
    Bei der Ankunft in Delhi – wir mussten noch viele Meilen über Land zurücklegen – ging es mir furchtbar schlecht. Meine Beine schwollen an, als hätte ich die Wassersucht, ich schwitzte bei der kleinsten Anstrengung, und dann kam die Übelkeit hinzu.
    Zunächst versuchte ich, es zu verbergen. Ich redete mir ein, dass das furchtbare Essen auf dem Schiff und während der Reise über Land die Schuld daran trüge. Auf keinen Fall sollte Carmichael mitbekommen, was los war, weil er dann wieder mit

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