Der Mondscheingarten
sehe! Wann habt ihr … Etwa an dem Abend, als ihr unterwegs wart?«
»Das ist nichts, das dich etwas angeht!«, fauchte ich ihn an.
Carmichael schnaufte wie ein Stier in der Arena. »Weißt du, was das bedeutet?«
»Dass ich ein Kind bekommen werde.«
»Dass du dir deine gesamte Karriere verbaust, verdammt!« Carmichael schlug mit der flachen Hand so heftig auf die Kommode neben der Tür, dass ich erschrocken zusammenzuckte. »Was meinst du denn, werden die Konzertveranstalter dazu sagen, wenn eine Schwangere auf die Bühne kommt? Ganz zu schweigen vom Publikum? Wenn du verheiratet wärst, wäre es etwas anderes, aber so …«
Ich sah ihn trotzig an. Was er sagte, war richtig, dennoch fühlte ich mich ihm in diesem Augenblick überlegen. Und ich verspürte auch diebische Freude darüber, ihm solch einen Ärger zu bereiten.
Natürlich war es schlecht für meine Karriere, denn einem Engel nahm man seine Rolle nur ab, wenn er rein blieb und den Anschein machte, dass er nur von Licht und Luft lebte wie eine Blume. Leidenschaften und fleischliche Gelüste passten nicht dazu.
»Du solltest zu einer Engelmacherin gehen.«
Diese Worte trafen mich wie ein Peitschenhieb. Ich hätte wissen müssen, dass ein Mann wie Carmichael zum Gegenangriff ausholte!
»Hast du den Verstand verloren?«, presste ich fassungslos hervor.
Die Diagnose des Arztes mochte mich ebenfalls schockiert haben, aber das Letzte, woran ich gedacht hatte, war, das Kind loszuwerden. Es war Pauls Kind, es war eine kleine Lady oder ein kleiner Lord Havenden. Es war meine Versicherung, dass er zu mir zurückkehren würde.
»Natürlich nicht hier«, lenkte Carmichael ein, ohne meine Antwort richtig zu deuten. »Wir fahren nach England. Und da lässt du es dir einfach wegmachen.«
»Nein«, entgegnete ich kalt. »Abgesehen davon, dass es mich auch das Leben kosten könnte, wäre das glatter Mord!«
Den dritten Grund, nämlich dass ich hoffte, schon bald Lady Havenden zu sein, nannte ich ihm nicht, denn damit hätte ich mir zweifelsohne seinen Spott eingehandelt. Und es reichte schon, dass die Stimmen in meinem Hinterkopf mir vorhielten, dass Pauls Absichten unehrenhaft gewesen sein könnten.
Carmichael sah mich gequält an. »Rose, verstehst du denn nicht? Das hier kann sich zu einem furchtbaren Skandal ausweiten! Ein uneheliches Kind! Niemand wird dich mehr spielen lassen, solange du nicht verheiratet bist!«
»Wir können es doch geheim halten«, schlug ich vor. »Ich könnte vielleicht ein paar Monate nicht spielen, aber …«
»Und wie erklären wir dem Publikum, wie du zu dem Kind gekommen bist?«
»Bin ich dem Publikum etwa Rechenschaft schuldig?«, knurrte ich. Wenn ich an die Leute dachte, die mich heute bei meinem Fehlgriff angesehen hatten, als hätte ich den Teufel heraufbeschworen, drehte sich mir der Magen um.
»Du stehst in der Öffentlichkeit, im Rampenlicht! Du bist keine Frau, die einfach mal für ein paar Monate verschwinden kann, um das Kind zu kriegen. Wir werden Termine haben!«
»Aber was spräche denn dagegen, ein halbes Jahr zu pausieren?«, hielt ich dagegen. »Schon jetzt sind wir gut zwei Jahre unterwegs. Die Öffentlichkeit würde es verstehen.«
Wieder schnaubte Carmichael. »Und in der Zwischenzeit schwingt sich eine andere zum neuen Liebling des Publikums auf, wie? Nein, das werde ich nicht zulassen.«
»Ich werde das Kind nicht abtreiben!« Meine Stimme schraubte sich schrill in die Höhe. »Wenn ich bei der Engelmacherin umkomme, wirst du noch weniger von mir haben, dann werde ich gar nicht mehr spielen. Ich werde das Kind bekommen, und während der Tourneen werde ich es bei meiner Mutter unterbringen, basta!«
Carmichael mahlte mit den Zähnen. Er war zornig. Gut so! Ich wusste, wie seine Reaktion im Zorn aussah. Er ging einfach. Drehte sich auf dem Absatz um und schlug die Tür hinter sich zu. So auch diesmal. Das Krachen des zufallenden Schlosses ließ mich zusammenzucken.
In dieser Nacht setzte ich mich an den Schreibtisch und schrieb Paul einen Brief. Ich teilte ihm mit, was geschehen war, in der Hoffnung, dass das seinen Entschluss festigen würde, zu mir zurückzukehren.
Beim nächsten Konzert unterlief mir kein Fehler. Ich spielte Note für Note, ohne dass jemand etwas daran auszusetzen gehabt hätte. Aber wieder sah ich die Musik nicht. Und ich spürte, wie seelenlos der Klang meiner Violine plötzlich war.
Carmichael tauchte diesmal nicht auf, um mir Vorhaltungen zu machen, eine ganze Woche lang
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