Der Mondscheingarten
dass dies nur eine Täuschung war, erkannte ich daran, dass die Bilder beim Spielen auch weiterhin fernblieben.
Dann, ein paar Jahre später, lernte ich Johan de Vries kennen, einen Plantagenbesitzer aus der Nähe von Padang. Er erschien zu einem meiner Konzerte, und obwohl das Blühen von meinen Wangen ebenso verschwunden war wie das Leuchten aus meinen Augen, stand er eines Tages schüchtern vor meiner Garderobe, in der Hand einen Strauß dunkelroter Rosen, die sündhaft teuer gewesen sein mussten.
In diesem Augenblick, als er kaum wagte, mich anzusehen, wusste ich, dass er vielleicht meine Rettung war. Dass ich durch ihn meine Seele retten konnte.
Ich will es nicht Liebe nennen. Die hatte Paul mit übers Meer genommen, die hatte er offenbar lachend hineingeworfen, damit sie von den Haien gefressen werden konnte.
Im Gegensatz zu der Beziehung mit Paul näherten Johan und ich uns langsam an. Rosen in der Garderobe, kurze Gespräche, Briefe, Spaziergänge. Er war geradezu hingebungsvoll bemüht, mir jeden Wunsch zu erfüllen, und ich nahm seine Geschenke huldvoll an. Da mein Blick nicht von Liebe getrübt wurde, erkannte ich, dass er meine Chance war, meine Ehre wiederherzustellen.
Als er eines Tages vor mir niederkniete, um mir einen Heiratsantrag zu machen, sagte ich ohne lange nachzudenken ja. Carmichael war das alles andere als recht, bedeutete es doch, dass ich nun für immer der Bühne fernbleiben und nicht als Spelunkengeigerin in Jakarta enden würde. Ich zahlte Carmichael eine großzügige Summe und versicherte ihn meiner Freundschaft, außerdem übertrug ich ihm Mai, die ich nun nicht mehr brauchte.
Ich hätte noch einmal Aufsehen erregen können durch eine große Hochzeit, doch ich bat Johan, mich in aller Stille zu heiraten, mit einer privaten Feier im kleinsten Kreis. Ich wollte die Welt nicht an das erinnern, was ich einmal gewesen war, sondern mich still und leise zurückziehen. Nicht mal eine Heiratsanzeige in der Zeitung gab es – auf meinen Wunsch. In seiner Verehrung tat Johan wirklich alles, was ich wollte.
Unsere Hochzeitsnacht ist mir kaum in Erinnerung geblieben, wie auch alle anderen Nächte, in denen er mir ehelich beigewohnt hat. Er war kein rücksichtsloser Liebhaber, im Gegenteil, er war zärtlich, bemühte sich um mich, bewegte sich vorsichtig und fügte mir keine Schmerzen zu. Doch es war, als würde seine Hingabe an einem Stein abprallen. Ich ließ es über mich ergehen, und wenn ich die Augen schloss und an Paul dachte, war es auch etwas besser als nur erträglich.
Und tatsächlich wurde ich recht rasch schwanger, was in der Familie meines Mannes große Freude auslöste. Ich tat so, als freute ich mich ebenfalls, und ich ertrug die Beschwerden mit Würde. Was mir leichtfiel, denn es warteten kein Publikum und kein ungeduldiger Agent. Hin und wieder spielte ich noch Geige, aber nur, weil ich mir einredete, dass das Kind in mir vielleicht musikalisch werden würde, dass ich ihm durch die Klänge etwas Gutes tat.
Auch diese Geburt war schrecklich, doch diesmal legte ich meine Kraft hinein mit dem Wissen, dass ich nun ein Kind haben würde, das mich vielleicht über den Verlust meiner Erstgeborenen hinwegtrösten könnte. Die Hebamme legte mir einen kleinen Jungen auf die Brust, der genauso schön war wie das mir unbekannte Kind.
Diesmal erholte ich mich nicht so schnell. Ich bekam Kindbettfieber und lag tagelang im Delirium. Keine Ahnung, was ich in der Zeit von mir gab, schlimmstenfalls hatte ich nach Paul gerufen, immer wieder nach Paul, der zu mir zurückkommen sollte. Als ich wieder wach wurde, war er mein erster Gedanke, aber glücklicherweise war ich doch wach genug, um zu erkennen, dass nicht er sich über mein Bett beugte, sondern Johan, der schon ganz krank vor Sorge war.
»Da bist du ja wieder!«, sagte er erleichtert, streichelte mir übers Haar und küsste mich. »Ich dachte schon, ich würde dich auch verlieren.«
Diese Worte hatte er ziemlich unbedacht gewählt, denn sie machten mich sogleich misstrauisch.
»Was ist mit unserem Sohn?«, fragte ich schwach, während sich die Angst in meine Eingeweide verbiss.
Da schien Johan seinen Fehler zu bemerken. Er biss sich kurz auf die Lippe, sah dann aber ein, dass es nichts brachte zu lügen. »Unser Sohn … ist tot«, sagte er tonlos und zog mich in seine Arme.
Hatte der Verlust meiner Tochter meine Seele bereits tief verletzt, so brachen diese Worte sie endgültig entzwei. Wie ich später erfuhr, hatte mein
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