Der Mondscheingarten
haben?
Als ihre Tränen versiegt waren, fühlte sie Erleichterung und beinahe auch ein bisschen Freude. Gabriel kam ihr wieder in den Sinn. Die Lösung des Rätsels Rose Gallway und der Zusammenhang zwischen ihr und Helen Carter würden ihn wahnsinnig freuen. Und sie freute sich darauf, seine Augen aufleuchten zu sehen, zu beobachten, wie ein breites Lächeln auf sein Gesicht trat. Sie vermisste ihn so sehr! Beinahe noch mehr als Ellen.
Nach weiterem Blättern stieß sie schließlich auch auf Roses Todesanzeige. Mochte ihr Mann auch keine Hochzeitsanzeige aufgegeben haben, die Nachricht vom Verlust seiner Frau hatte er so liebevoll gestaltet, dass man deutlich spürte, wie viel er für Rose empfunden hatte. Ob er je geahnt hatte, dass ihr Herz eigentlich einem anderen gehörte?
Mit Kopien des Artikels, der Liste und der Anzeige verließ sie schließlich das Museum. Ihr melancholisches Lächeln wurde im strahlenden Sonnenschein, der jetzt durch die dichten Wolken brach, zu einem freudigen. Vielleicht hat Rose jetzt Ruhe, dachte sie sich. Auch wenn ich noch immer nicht weiß, warum die Geige zu mir gekommen ist, kann ich damit leben, dass ich weiß, was mit ihren Besitzerinnen geschehen ist.
Am Abend fand sich Lilly bei der Adresse ein, die Verheugen ihr gegeben hatte. Ein wenig mulmig war ihr schon zumute. Die ganze Zeit über war sie das Gefühl nicht losgeworden, dass er näher an ihr interessiert wäre. Was, wenn seine Nachricht nur ein Vorwand war? Unsinn, sagte sie sich selbst. So etwas braucht ein Mann wie er, dem das Herz auf der Zunge liegt, nicht.
Schon von weitem konnte sie die Feiernden hören, was in ihr ein paar Hemmungen auslöste, denn sie fragte sich, ob sie den Leuten wirklich willkommen war. Wie sollte sie dem Menschen, der an der Tür erschien, klarmachen, dass Verheugen sie erwartete? Glücklicherweise öffnete er persönlich.
»Na, haben Sie ausgeschlafen?«, fragte er mit einem breiten Lächeln, als er sie hereinbat. »Als ich im Hotel nach Ihnen fragte, sagte man mir, dass an Ihrer Tür noch immer ›Bitte nicht stören‹ stand. Da ich ein positiv denkender Mensch bin, bin ich aber nicht davon ausgegangen, dass Ihnen etwas zugestoßen ist, sondern dass Sie einfach nur müde waren.«
»So war es auch«, entgegnete Lilly lächelnd, während sie ihm an anderen Gästen vorbei ins Innere des Hauses folgte. »Ich habe gestern sehr lange über einem Dokument gesessen und mich festgelesen.«
»Dann hoffe ich, es hat Ihnen etwas gebracht.«
»O ja, das hat es. Und ich war heute auch noch mal im Museum und habe eine grandiose Entdeckung gemacht. Wenn Sie wollen, erzähle ich Ihnen nachher davon.«
»Dieses Angebot nehme ich sehr gern an«, entgegnete der Zahnarzt. »Aber jetzt möchte ich Ihnen jemanden vorstellen.«
Verheugen löste sich von ihr und ging dann zu einer Gruppe Männer. Mit einem von ihnen sprach er kurz, dann kehrte er mit ihm zurück.
Es war ein sehr gut aussehender, muskulöser Mann mit schwarzen Locken und dunkelbraunen Augen.
»Wenn ich Ihnen vorstellen darf, das ist Setiawan, mein Lebensgefährte. – Setiawan, das ist meine neue Freundin Lilly Kaiser.«
Überrascht zog Lilly die Augenbrauen hoch und war froh darüber, dass ihr Verstand reagierte, bevor ihre Regung falsch verstanden werden konnte.
»Freut mich sehr, Sie kennenzulernen!«
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite«, entgegnete der Mann.
»Setiawan arbeitet bei einer großen Computerfirma und gibt landesweit Seminare.« Verheugen lächelte stolz, und sein Partner stimmte etwas schüchtern ein.
»Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Ich kenne mich leider nicht so gut mit Computern aus, obwohl ich das eigentlich müsste. Bisher dachte ich immer, ich bräuchte das für meinen Laden nicht.«
»Ich glaube, da kann ich Ihnen helfen«, entgegnete Setiawan. »Aber jetzt sollten Sie erst einmal etwas essen und ein paar Leute kennenlernen.«
»Setiawan ist Minangkabau«, erklärte Verheugen Lilly später, als er sich nach dem Essen kurz zu ihr gesellte. Er lächelte seinem Freund zu, der sich nach ihm umgedreht hatte und aussah, als wollte er ihn bitten, ihn von den anderen Männern zu befreien. »Ich habe ihn vor zehn Jahren während eines Urlaubs kennengelernt und mich sofort in ihn verliebt.«
»Da haben Sie großes Glück gehabt«, entgegnete Lilly fast ein bisschen wehmütig. »Es ist schwierig, jemanden zu finden, der einen liebt und den man zurücklieben kann.«
»Und da gibt es niemanden bei
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