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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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seltsames Gefühl in Lilly auf. Das Stück klang sehr exotisch, aber gleichzeitig erschien es ihr auf merkwürdige Weise vertraut. Nicht so, als hätte sie es schon gehört, doch die Tonfolge strahlte irgendwie Geborgenheit aus.
    Vielleicht war der Titel schuld daran, doch auf einmal hatte sie wieder eines der ersten Dates mit Peter vor sich. Damals, im Frühling, hatten sie abends eng aneinandergekuschelt unter einem Magnolienbaum gesessen, während über ihnen ein bleicher Mond geschienen hatte. Der Eindruck verflog so schnell, wie er gekommen war.
    Lilly lauschte gebannt, bis das Stück zu Ende war und Ellen die Geige fast schon andächtig wieder absetzte.
    »Wow!«, sagte sie, während sie das Instrument bewunderte, als hätte es die Melodie wie von Zauberhand allein gespielt. »So einen Klang habe ich schon lange nicht mehr gehört.«
    »Dann ist es also keine schlechte Geige, oder?« Lilly war noch immer berührt von dem Vortrag ihrer Freundin.
    »Nein, das ist auf keinen Fall eine schlechte Geige. Der­jenige, der sie gebaut hat, muss ein Meister gewesen sein. Genauso wie der Mensch, der dieses Stück geschrieben hat.«
    »Klingt für mich ein bisschen nach Südsee«, meldete sich Dean zu Wort. »Aber wie du weißt, bin ich ein Kunst­banause.«
    »Nein, bist du nicht«, entgegnete Lilly. »Für mich klang es auch exotisch. Wie … wie eine Nacht unter einem voll erblühten Magnolienbaum.«
    Ellen lächelte jetzt wieder. »Ihr mit euren Vergleichen. Aber möglicherweise wollte der Komponist tatsächlich den Eindruck eines Gartens erwecken. Könnt ihr euch an Vi­valdis Jahreszeiten erinnern? Den Frühling, in dem man die Vögel und die Stürme hören kann?«
    »Ich mag von den Jahreszeiten eher den Winter, aber ich weiß, was du meinst«, entgegnete Lilly.
    »Ich bin wirklich wahnsinnig neugierig, in zweierlei Hinsicht. Zum einen auf den Komponisten und dann auf den Erbauer dieses Prachtstücks.« Wieder drehte Ellen die Geige herum und betrachtete die Rose unter der glänzenden Lackschicht.
    Lilly blickte derweil zu Dean, der auf dem Sofa saß und fasziniert seine Frau betrachtete. Fast schien es, als wäre ihre musikalische Seite vollkommen neu für ihn.
    »Der wahrscheinlich völlig unbekannt war«, setzte Lilly ein bisschen enttäuscht hinzu.
    »Es gibt viele gute Geigenbaumeister, die von der Zeit verschluckt und von den Menschen vergessen wurden. Schauen wir doch mal, ob ihr Schöpfer eine Spur in ihrem Innern hinterlassen hat.«
    Aus einer Schublade holte Ellen eine kleine Lampe und deutete dann durch die F-Löcher der Decke. Es dauerte nicht lange, bis sie ein missbilligendes Zungenschnalzen hören ließ. »Kein Zettel und kein Brandstempel. Dem Burschen muss das Instrument peinlich gewesen sein.«
    Immerhin wusste Lilly, dass »Zettel« in Ellens Wortschatz die Herstellerangabe eines Instruments bezeichnete, ein kleiner Papierstreifen, der nach der Fertigung mit der Pinzette auf den Boden geklebt wurde.
    Ellen betrachtete das Instrument noch einmal, dann legte sie es vorsichtig in den Koffer zurück. »Na gut, die Sache ist schwierig, aber nicht aussichtslos, würde ich sagen. Morgen kommst du erst mal mit mir mit, dann sehen wir weiter. Auch wenn sich die Lady ein wenig spröde gibt, wird es uns gelingen, ihr Geheimnis zu entschlüsseln.«
    In der Nacht konnte Lilly trotz der weichen Matratze und dem nach Lavendel duftenden Bettzeug nicht einschlafen. Während der Mond sein bleiches Licht durch das Fenster schickte, starrte sie auf die Deckenbalken und meinte noch immer, das Lied des »Mondscheingartens« zu hören.
    Was hatte es nur mit der Geige auf sich? Laut Ellen war es ein gutes Instrument, doch warum sollte gerade sie Anspruch darauf haben?
    Lilly überlegte angestrengt, kramte in den Erinnerungen an die Geschichten ihrer Mutter und von Großmutter Paulsen, doch sie konnte keinen Hinweis darauf finden, dass ­etwas Ungewöhnliches passiert war. Ihre Großeltern waren anständige, solide Leute gewesen, Hamburger durch und durch. Es gab zahlreiche Erinnerungsstücke auf ihrem Dachboden, doch mit den Augen einer Erwachsenen betrachtet, war daran nichts Geheimnisvolles.
    Mittlerweile waren ihre Großeltern schon seit ein paar Jahren tot, zuerst war ihr Großvater gestorben, dann ihre Großmutter. Die Erinnerungsstücke auf dem Dachboden waren mit dem Haus verkauft worden. Hatte die Geige dazugehört? Nie war die Rede davon gewesen, dass ihre Großeltern ein Instrument gespielt hatten. Und selbst

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