Der Mondscheingarten
raunte Ellen daraufhin. »Meine Mädchen haben mein gutes Gehör geerbt.«
Nachdem sie von einem sehr adrett aussehenden Kellner zu ihrem Platz geführt worden waren und sich gesetzt hatten, stellte sich ihnen der Kellner vor, der an diesem Abend für ihre Wünsche zuständig war. Er legte ihnen die Servietten auf den Schoß, reichte ihnen die Weinkarte und kündigte ihnen an, dass sie vor jedem Gang eine kleine Vorspeise bekamen, um den Gaumen vorzubereiten.
Lilly fühlte sich ein wenig verunsichert. Noch nie war sie in einem so noblen Restaurant gewesen. Ellens Töchter schienen da schon wesentlich erfahrener.
»Du sagst mir aber, wenn ich was falsch mache, ja?«, wandte sich Lilly an Jessi, die neben ihr saß.
»Klar doch!«, entgegnete das Mädchen, stolz darauf, dass sie einer Erwachsenen helfen durfte.
Während sich Probierlöffel zum Einstimmen des Gaumens mit den einzelnen Stationen eines Acht-Gänge-Menüs abwechselten, plauderten sie über Ellens Tag am Institut und Thorntons Schätze im Keller.
»Nun, da wir wissen, dass Rose dort gespielt hat, was hältst du von einer kleinen Reise nach Italien?«, platzte Ellen heraus. »Ein bisschen auf den Spuren unseres kleinen Genies wandeln …«
»Nichts dagegen«, antwortete Lilly und war darüber verwundert, denn vor dem Auftauchen der Geige hätte sie sicher gezögert. »Ich habe mich jetzt erst mal für zwei Wochen freigeschaufelt.«
»Kommt Sunny gut mit dem Laden zurecht?«
»Bestens! Volle Kassen wird auch sie mir nicht bringen, aber es stiehlt wenigstens niemand etwas. Und sie kann in Ruhe an ihrer Hausarbeit werkeln.«
»Wie viele Tattoos hat sie denn mittlerweile?«
»Keine Ahnung, du müsstest sie heiraten, um alle zu zählen. Und da hast du schlechte Chancen bei ihr, denn sie wünscht sich unbedingt einen Tätowierer als Mann.«
Ellen lachte auf, wohl etwas zu laut für den Geschmack des Paars am Nebentisch, das ihnen verwunderte Blicke zuwarf. Doch sie ignorierte es. »Was meint sie denn zu dem Filmchen?«
»Sie will es herunterziehen und sichern. Wenn ich zurück bin, werde ich es meiner Mutter zeigen, und wenn die nichts damit anfangen kann, rufe ich Peters Eltern an. Wenn die Geige aus ihrer Familie stammt, möchten sie sie womöglich haben.«
»Du willst doch dieses Baby nicht einfach so weggeben!«, rief Ellen entrüstet aus.
»Wenn es mir nicht gehört?«
»Wie kommst du darauf, dass es dir nicht gehören könnte? Du warst Peters Frau! Wenn deine Schwiegereltern auch nur einen Funken Anstand besitzen, und davon gehe ich aus, drücken sie dir die Geige sowieso gleich wieder in die Hand. Von daher ist es vergebliche Liebesmüh, sie ihnen aufzudrängen.«
Einen Moment schwiegen sie, und während dieses Moments wurde die Nachspeise aufgetragen. Das kleine Kunstwerk aus einer Schokoladenmousse, Karamell, Sahne und verschiedenen Früchten war so wunderbar angerichtet, dass Lilly kaum wagte, es mit dem Silberlöffel zu zerstören. Als sie es doch tat, wurde sie von einem wunderbaren Geschmack belohnt, der alles toppte, was sie zuvor gegessen hatte.
»Du meine Güte, wäre dieses Dessert ein Mann, würde ich ihn sofort um seine Telefonnummer bitten«, raunte sie leise in der Hoffnung, dass der Kellner es nicht hörte. Gleichzeitig kam ihr Gabriel in den Sinn, und sie fragte sich, in welches Restaurant er sie wohl führen würde.
In dieser Nacht spukten das Aroma des köstlichen Desserts und der Gedanke an Gabriel Thornton noch lange durch Lillys Sinne. Während sie aus dem Fenster auf den Mond blickte, der sich hinter ein paar Wolken verbarg, versuchte sie, sich die Musik vorzustellen, denn abspielen wollte sie die CD jetzt nicht. Als ihr das misslang, dachte sie an Gabriels Gesicht, das ihr heute so nahe gewesen war.
Sie wusste, dass seine Freundlichkeit möglicherweise nichts weiter zu bedeuten hatte, sie arbeiteten gemeinsam an einem Projekt, und wenn dieses abgeschlossen war, würde jeder wieder seiner Wege gehen. Aber dennoch betrachtete sie in Gedanken seine Augen, die Grübchen an seinen Wangen, den breiten Mund mit den leicht aufgeworfenen Lippen. Die Art, wie sein Haar nach vorn gefallen war, als er sich über das Aufnahmegerät beugte. Irgendwie schien sie alles viel deutlicher zu sehen, und sie spürte auch, dass sich in ihrem Innern etwas bei diesem Anblick regte. Das Herzklopfen, als sie im Tonlabor war, hatte das Gefühl darunter überdeckt, so dass sie es nicht bemerkt hatte. Doch jetzt spürte sie es, und eine
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