Der Mondscheingarten
»Das wäre dann auch barbarisch, aber ich habe gerade gestern ein ganz köstliches einheimisches Hühnergericht gekostet.«
»Das ist etwas völlig anderes!«
»Aber es hat dasselbe Ergebnis – die Hühner sterben. Ich bin sicher, dass der unterlegene Hahn sehr gut in einer Suppe schmecken würde.«
Rose runzelte die Stirn. Die Freude, Havenden wiederzusehen, verflüchtigte sich ein wenig. Der Engländer schien das mitzubekommen, denn er lenkte ein: »Und was schlagen Sie stattdessen vor?«
»Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen Vorschläge zu unterbreiten hätte«, entgegnete Rose schnippisch, doch gleich danach tat es ihr leid.
»Aber Sie raten mir ab, zu den Hahnenkämpfen zu gehen.«
»Ich habe Ihnen nicht abgeraten, sondern nur bemerkt, dass die Kämpfe barbarisch sind«, sagte sie etwas milder.
Paul lachte auf, und obwohl sich Rose dagegen wehrte, konnte sie nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.
»Lieber sollten Sie sich das Stück eines Schattenspielers anschauen, ein Wayang Kulit«, sagte sie dann. »Zu meiner Kinderzeit hier in Padang gab es ständig einen dieser Puppenspieler. Die Stücke sind sehr lang, mir ist es nie gelungen, eines bis zum Ende zu schauen, weil meine Eltern mich immer nach Hause gezerrt und ins Bett gesteckt haben.«
Paul schien einen Moment zu überlegen, dann bot er Rose den Arm. »Wie wäre es, wenn wir solch einen Puppenspieler suchen gehen?«
Rose sah ihn verwirrt an, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich fürchte, da muss ich ablehnen, denn diese Stücke werden erst in der Nacht gespielt. Haben Sie in England noch nie ein Schattentheater gesehen?« Lebhaft erinnerte sie sich an den Besuch eines sogenannten Kinematographen, in dem auch Schattenspiele gezeigt worden waren. Außerdem hatte sie dort, zum ersten Mal in ihrem Leben, bewegte Bilder gesehen, was sie sehr faszinierend fand.
»Ich fürchte, auch in dieser Hinsicht habe ich keine Ahnung. Aber ich kann Ihnen etwas von Pferdezucht erzählen, wenn Sie mögen.«
»Ein anderes Mal vielleicht«, entgegnete Rose, denn sie spürte, dass Paul es darauf anlegte, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.
»Und dieses andere Mal ist nicht heute Abend? Wie wäre es, wenn Sie mich zu dem Puppenspieler begleiten?«
»Ich denke, Ihre Verlobte wäre da die bessere Begleitung. Guten Tag, Lord Havenden.« Als Rose sich umwandte, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.
»Rose, warten Sie!«, rief Paul ihr nach, doch sie wollte weder stehenbleiben noch sich zu ihm umdrehen, denn sonst hätte sie es sich vielleicht anders überlegt.
Als Paul ins Hotel zurückkehrte, brannte noch immer der Anblick von Rose Gallways leuchtender Schönheit vor seinem inneren Auge. Was war nur los mit ihm? Er war Geschäftsmann, er hatte eine Frau, und wenn alles gutging, würde er bald Teilhaber einer gut laufenden Plantage sein. Dennoch verspürte er auf einmal einen Mangel, den er sich zunächst nicht erklären konnte. Warum zog ihn alles zu dieser Frau hin? Warum verleugnete er Maggie ihr gegenüber und erzählte ihr, dass Maggie seine Verlobte sei? Er war nicht mal ein besonders großer Musikliebhaber …
Dass sie beinahe vor ihm geflohen war, zeigte ja nur, dass ihre Sympathien nicht so groß waren, wie er angenommen hatte. Aber dennoch drängte alles in ihm danach, sie wiederzusehen, wieder zu hören, wie sie spielte.
»Wie war es in der Stadt?«, schnitt Maggies Stimme seine Gedanken ab. »Hast du dich mit deinem Anwalt geeinigt?«
Paul hörte deutlich die Ungeduld in der Stimme seiner Frau, die auf der Chaiselongue lag und eine Frucht aus der Schale neben sich klaubte. Wahrscheinlich hoffte sie, so schnell wie möglich von hier wegzukommen, und irgendwie machte Paul das allmählich ärgerlich.
»Mijnheer Dankers ist ein wirklich netter Mann, aber von Einigung kann noch keine Rede sein. Zuerst muss ich mir die Plantage ansehen.«
Paul bemerkte, dass fast schon ein entsetzter Ausdruck in Maggies Augen trat. Er wusste, was sie befürchtete, und sagte: »Keine Sorge, du kannst hierbleiben, in der Sicherheit des Hotels. Obwohl ich ja denke, dass die Ladys in London vor Neid platzen würden, wenn du ihnen von deinen Abenteuern im Dschungel erzählst.«
»Tut mir leid, ich habe nicht vor, eine zweite Marianne North zu werden und meine Zeit damit zu verschwenden, Pflanzen zwischen Zeitungspapier zu pressen.«
Es erstaunte Paul ein wenig, dass Maggie von der Naturforscherin wusste, die unter anderem auch Südostasien bereist hatte. Pauls Vater hatte sie
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